Radikaler Neoliberalismus

Falscher Jubel für WEF-Milei: Nächste Mogelpackung, diesmal in Argentinien...

Meinung
Bild: World Economic Forum / Benedikt von Loebell, Flickr, CC BY-NC-SA 2.0

Als "Rechtspopulist" gilt heute in den Systemmedien jeder, der auch nur einen Millimeter aus der Einheitsmeinung ausschert, sogar den linkspatriotischen Anti-Globalisten Fico in der Slowakei bedachte man mit diesem Etikett. Anders ist es mit dem nächsten, der in dieser Schublade landet: Der radikalliberale Javier Milei gewann die Präsidentschaftswahl in Argentinien. Bei genauerem Hinsehen ist der Ökonom aber kein "Ultrarechter", sondern trotz einiger kritischer Ansätze auch ein Transatlantiker aus dem Globalisten-Dunstkreis.

Neoliberalismus im "Kritiker"-Gewand

Argentinien ist ein gescheiterter Staat, im vergangenen Monat erreichte die Inflation stattliche 142,7 Prozent. Seit Jahrzehnten kämpft das Land mit einer hohen Teuerungsrate, gleich mehrfach wurden dem Peso mehrere Nullen gestrichen, um es zu kaschieren. Auch Korruption ist allgegenwärtig: Erst im Vorjahr wurde die ehemalige Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner wegen Betruges zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Zuletzt leitete mit ihrem Schützling Alberto Fernandez ein unbeliebtes Staatsoberhaupt die Geschicke, er schickte das Land in einen der weltweit brutalsten Corona-Lockdowns - nur um sich über die eigenen Regeln hinwegzusetzen. 

In dieser Gemengelage fand eine Präsidenten-Stichwahl statt, zwischen dem für das wirtschaftliche Fiasko nicht unverantwortlichen Finanzminister Sergio Massa und dem exzentrischen Ökonomen Javier Milei. Dieser positionierte sich als Anti-Establishment-Kandidat und versprach, nach seiner Wahl tabula rasa zu machen. Die meisten Ministerien will er abschaffen, auch die Zentralbank soll weichen. Zudem will er eine marktliberale Staatsräson auf den Spuren von Ex-Präsident Carlos Menem (1989-99) fahren, der  die Wirtschaftspolitik am US-Dollar, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) orientierte und auf totale Privatisierung setzte. 

Transatlantiker & Gegner jeder Sozialpolitik

Tatsächlich gelang es Menem damals zeitweise, die Inflation einzubremsen - ehe die Arbeitslosigkeit in die Höhe schoss und er selbst wegen Korruption verurteilt wurde. In der Außenpolitik unterstützte er die USA unter Bush Sr. und Clinton und positionierte sich als starker Unterstützer Israels. Milei möchte anknüpfen: Er sieht die USA & Israel als "oberste Verbündeten" und will den US-Dollar anstelle des Peso einführen. Zwar glaubt er nicht an die Einmischung in fremde Konflikte, aber seine Sympathien sind klar verteilt: Im Vorjahr lief er demonstrativ mit einer ukrainischen Flagge umher. Mit China will er keine Gesprächskanäle pflegen, auch an BRICS hat er kein Interesse.

Zudem setzt er auf radikalen sozialen Abbau. Das Sozialsystem im Land sieht er als "Krebs", den er herausschneiden will: Staatlich garantierte Pensionen und Transfer-Leistungen sollen verschwinden, Gewerkschaften auch. Ein - gelinde gesagt - ambitioniertes Projekt im Land, in dem ein Drittel der 47 Mio. Bürger unter der Armutsgrenze lebt. Doch soziale Kälte kümmert ihn nicht: Er glaubt, dass "der Liberalismus die Armut in der Welt beseitigt". Den einzigen Denker, den er mehr hasst als Marx, ist Keynes. In seiner Welt "regelt der Markt" alles: Alles ist erlaubt, solange der Staat nicht dafür zahlt. Eine seiner Heldinnen ist die auch von Satanisten verehrte Autorin Ayn Rand.

Peronismus als ewiges Feindbild

Damit will Milei alles über den Haufen werfen, was in Argentinien bislang Gültigkeit hat - also den gesamten Peronismus. Der langjährige Präsident Juan Perón führte ein teil-protektionistisches System nach dem "Father Knows Best"-Prinzip ein. Er suchte einen dritten Weg jenseits Kapitalismus und Kommunismus; war einerseits Nationalist, setzte aber auch auf sozialstaatliche Absicherung der Bürger. Außenpolitisch hielt er die Gesprächskanäle zu beiden Seiten im Ost-West-Ringen offen - was den USA nicht gefiel, sie belegten ihn mit einem Embargo. Die Wirtschaft begann zu kränkeln, es folgten Sturz, Exil, Militärregierung und Wiederwahl.

Der transatlantischen Blase gilt Perón noch heute als Wurzel des argentinischen Übels, das Land sei weiterhin "in seinem Erbe gefangen". Eine verkürzte Darstellung, aber weil sich alle politischen Kräfte von "links" bis "rechts" bislang auf ihn bezogen, verfängt sie beim perspektivenlosen Volk aus dem Munde Mileis. Doch die Größenordnung des Umkrempelns, die dieser anstrebt ist ungefähr so, als würde man in Österreich die Kreisky-Reformen kippen oder in Deutschland zugleich die Soziale Marktwirtschaft und die Bismarck'schen Sozialgesetze aufheben. Nicht die Misswirtschaft, Korruption und der Missbrauch des Sozialsystems sind sein Feind - sondern jegliche soziale Sicherheit. 

Vergiftete Vergleiche mit Trump & Bolsonaro

International versucht man, ihn nun als "den nächsten Trump" oder "den nächsten Bolsonaro" zu verkaufen - und weil Milei die politische Korrektheit und die linksliberale kulturelle Hegemonie kritisiert, droht auch Verklärung zum falschen Vorbild durch europäische Patrioten. Dabei hinkt bereits der Vergleich: Bolsonaro privatisierte zwar einige Bereiche, verschlankte die Verwaltung und führte eine Schuldenbremse ein - aber er achtete bei Steuersenkungen auf soziale Treffsicherheit und erhöhte die Höhe der Sozialhilfe für arme Bürger. Trump wiederum befehligte ein Land, dessen radikal-kapitalistische Marktlogik ohnehin schon lange vor seiner Zeit im Weißen Haus bestand.

Keiner der beiden - die letztendlich scheiterten bzw. vom System "gescheitert wurden" - verfocht annähernd so libertäre soziale Ansichten wie Milei. Praktisch gibt es hier neben der Ablehnung politischer Korrektheit nur drei Parallelen: Eine kritische Haltung zu Abtreibungen, zum globalen Klima-Narrativ und der Wunsch nach strengerer Migrationspolitik. Zugleich ist Milei Befürworter von LGBT-Rechten & Homo-Ehe, der freien Liebe, der Legalisierung auch harter Drogen sowie des Organhandels. Milei sieht sich selbst als "liberalen Anarcho-Kapitalisten", für ihn sind populistische Rhetorik und Anknüpfung an konservative Werte keine Überzeugung, sondern nur Vehikel.

Milei ging mit WEF-Mitgliedschaft hausieren

Was man uns hier als "Ultrarechten" verkaufen will, ist in Wahrheit eine verkappte Margaret Thatcher mit belustigender Frisur, Trump-Rhetorik und leeren messianischen Versprechen, alles besser zu machen. Zugleich lohnt es sich, bei seiner Haltung zu globalistischen Zirkeln genauer hinzuschauen. So listet ihn das Weltwirtschaftsforum (WEF) von "Great Reset"-Architekt Klaus Schwab auf seiner Seite; auch er bezeichnete sich in seinem Steckbrief als WEF-Mitglied und nahm an dessen Treffen teil. Außerdem ging er mit einer Mitgliedschaft in der B20, einem wirtschaftlichen Berater-Gremium der G20-Gruppe, hausieren. 

Freilich bedeuten solche "Karriere-Stationen" nicht zwingend die Unterstützung sämtlicher globalistischer Agenden. So war Ungarns Premier Orbán einst Soros-Schützling, ehe er zum schärfsten Kritiker der Machenschaften des US-Milliardärs wurde und sein Stiftungsnetz weitgehend aus dem Land warf. Manchmal entsteht in späteren Jahren auch ein ambivalentes Gesamtbild: Während Ulrike Guerot einst im Soros-Umfeld verkehrte und ihre europapolitischen Ansichten weiter befremdlich wirken, sagte sie während der Corona-Zeit und zum Ukraine-Krieg kluge Sachen. Nichtsdestotrotz sehen sie manche Akteure im anti-globalistischen Lager wegen ihrer Vergangenheit kritisch.

Steuerbare Scheinrechte von Meloni bis Milei?

Auf der anderen Seite findet sich aber die Erfahrung mit Giorgia Meloni, die mit dem Versprechen einer systemkritischen, patriotischen Wende auftrat - und sich nach etwas mehr als einem Jahr als Blenderin vor dem Herrn herausstellte. Beim Kampf gegen illegale Migration hat sie resigniert, dazu will sie hunderttausende Arbeitsmigranten legal ins Land schleusen. Außenpolitisch orientiert sie sich strikt an den Vorgaben aus Washington, was eine logische Folge ihrer Mitgliedschaft im globalistischen "Aspen Institute" sein dürfte. Darüber, wie dieser ominöse Zusammenschluss funktioniert, berichtete Der Status bereits

Nachdem die Linke und die "Mitte" längst auf Linie gebracht wurde, arbeiten mächtige Netzwerke nun daran, auch die Rechte auf Linie von Washington & Davos zu bringen. Ein "Compact"-Artikel warnte vor einigen Monaten: "In immer mehr Ländern bilden sich konservative Denkfabriken, die die Rechte auf US-Kurs bringen sollen. Das Phänomen Giorgia Meloni war erst der Anfang. Überall will man steuerbare Rechtspopulisten fördern - die man am Ende sogar an die Macht lässt." Milei könnte der nächste Dominostein dieser Entwicklung sein - in neokonservativen, transatlantischen US-Kreisen feiert man ihn bereits als "Retter der argentinischen Demokratie".

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