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Verachtung für die Demokratie und ihre Regeln: Es braucht eine Brandmauer gegen Lauterbach

Meinung
Bild: SPD Schleswig-Holstein, CC BY 2.0, Flickr

Es war die zweite Pleite für die Ampelregierung direkt vor der Sommerpause des Bundestages. Zuerst hatte das Bundesverfassungsgericht die Abstimmung über das Heizungsgesetz gestoppt und dann scheiterte auf der letzten Sitzung auch noch die Abstimmung über das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG), weil zu wenig Abgeordnete vor Ort waren und die AfD darauf aufmerksam machte. Die Reaktionen einiger Politiker darauf lassen allerdings tief in deren Psyche blicken und offenbaren eine Verachtung der Demokratie, der es sich zu erwehren gilt.

Es war ein Trauerspiel, welches sich Freitag Nachmittag im Bundestag abspielte. Die AfD bezweifelte vor der Abstimmung über das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG), dass ausreichend Abgeordnete anwesend seien. Denn damit die Beschlussfähigkeit gegeben ist, muss die Hälfte der 736 Abgeordneten anwesend sind, also mindestens 369. Dies sieht auch die Geschäftsordnung des Bundestages in Artikel 45, Absatz 1 vor, die Hälfte der Mitglieder des Bundestages plus 1. Der amtierenden Bundestagspräsidentin Aydan Özoguz (SPD) war die Ratlosigkeit auf das Gesicht geschrieben. Ganze 20 Minuten versuchte man offenbar eilig Mandatare herbeizuholen, doch es nutzte nix. Der "Hammelsprung" ergab die Anwesenheit von nur 241. Damit musste die Abstimmung verschoben werden. Von Seiten der AfD wird dies natürlich als Erfolg verbucht.

Originelle Reaktionen

Die Reaktionen auf dieses, für die Ampel-Parteien niederschmetterndes Ergebnis kann man dann nur noch als "interessant" bzw. "originell" bezeichnen. Bundestagspräsidentin Özoguz, die 16 Uhr 35 die Sitzung ohne Abstimmung über das GEG schließen musste, fand noch einige "mahnende" Worte. Es stimme sie "nachdenklich", was sie eben erleben musste. Aber sie wünsche den Abgeordneten Erholung und Ruhe - und "dass Sie auch darüber nachdenken können, wie wir Angriffen auf den Parlamentarismus vielleicht gemeinsam begegnen können", wird sie in Medien zitiert. Ihr Parteigenosse, Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprach auf Twitter von einem "Parlamentstrick", der eine angeblich für die Zukunft wahnsinnig wichtige Abstimmung verhindert habe.

SPD als Gefahr für die Demokratie?

Allein die Aussage Lauterbachs offenbart zweierlei. So hat er offenbar das Prinzip der Demokratie nicht verstanden und drückt zudem eine tiefe Verachtung für das parlamentarische System aus - wogegen es eigentlich schleunigst eine "Brandmauer" der "demokratischen Parteien" zu errichten gälte. Und auch die SPD müsste sich von ihrem Minister und Mitglied Lauterbach trennen - und gegebenenfalls von der Bundestagspräsidentin -  sofern diese sich nicht genügend erklären. Denn von "Tricks" zu sprechen, wenn es um simple Dinge, wie die Einhaltung der Geschäftsordnung geht, hat schon eine gewisse Chuzpe.

Regeln sind nicht für Alle da?

Denn ein System - und auch ein parlamentarisches System - lebt von Regeln, die man sich gegeben hat und an die man sich zu halten hat - zumindest bis sie geändert werden. Wenn die Abstimmung für die Zukunft angeblich so wichtig war, wieso sorgten dann nicht die Fraktionsführer und Verantwortlichen der Fraktionen der Regierungsparteien für Sitzungsdisziplin und dafür, dass die nötige Anzahl von Abgeordneten anwesend ist? Wobei es müßig ist, sich mit der Frage, wieso die eigentlich fürstlich aus Steuergeldern alimentierten Volksvertreter, zu deren Aufgabe die Wahrnehmung der aller paar Wochen stattfinden Sitzungen gehört, ihrem "Arbeitsplatz" regelmäßig fernbleiben - ein "normaler" Arbeiter dürfte sich dies nicht erlauben. Aber nur weil man bisher nie darauf achtete und immer in bester Eintracht alles einfach durchgewunken hat, heißt das nicht, dass man glauben muss, dies auch weiterhin so handhaben zu können.  Bei "Störungen" aber von "unlauteren" Mitteln zu schwadronieren, zeigt eigentlich nur, wie weit sich Lauterbach und auch andere von dem, was Demokratie bedeutet, eigentlich schon entfernt haben.

Jeder Geflügelzüchterverein muss sich an Regeln halten

Dabei muss sich jeder Geflügelzüchterverein - dies soll keineswegs als Abwertung verstanden werden - aber auch jede andere Institution, seien es Stiftungen oder Firmen wie Aktiengesellschaften etc. sich wichtigen Geschäftsgängen, Vorstandssitzungen, Vereinssitzungen oder Vorstandswahlen sowohl an ihre Satzung als auch an die geltende Geschäftsordnung halten. Geschieht dies nicht, wird gegen diese verstoßen, kann dies gravierende Folgen haben. Von der Ungültigkeit der Beschlüsse bis hin zu Haftungsfragen und rechtlichen Konsequenzen für die Organe, die dies zugelassen haben.

Legal, illegal... scheißegal

Wenn Lauterbach also diese Regeln missachtet und von Tricks und ähnlichem spricht, zeigt er, dass die parlamentarische Demokratie in Deutschland für ihn eher vergleichbar mit einer Bananenrepublik ist und die Demokratie für ihn nur so viel wert ist, solange sie ihm und seinen Anliegen entgegenkommt. Nach Lauterbachs Ansicht könnte man dann also auch Verfassungs- oder Grundgesetzänderungen vornehmen, ohne das benötigte erhöhte Quorum von zwei Drittel zu erfüllen. Und wer dann darauf hinweist, dass die nötige Mehrheit verfehlt wurde, bedient sich dann nach Lauterbachs Ansicht wohl auch eines unlauteren "Parlamentstricks"? Es ist sehr dünnes Eis, wenn der Gesundheitsminister hier versucht, die Einhaltung der Geschäftsordnung im Bundestag als "undemokratischen" Akt zu delegitimieren.

Ein Leutnant und zehn Mann...

Aber es bieten sich ja genug Anleihen, derer sich Özoguz und Lauterbach bedienen können. So erklärte etwa der Reichtstagsabgeordnete Elard von Oldenburg-Januschau - als ostelbischer Junker und Monarchist war er der Prototyp des damaligen SPD-Feindbildes - bei seiner Reichtagsrede vom 29. Januar 1910: "Der König von Preußen und der Deutsche Kaiser muß jeden Moment imstande sein, zu einem Leutnant zu sagen: Nehmen Sie zehn Mann und schließen Sie den Reichstag!" Was damals für seine allerhöchste Majestät von Gottes Gnaden usw. recht war, kann heute für den Minister und Mediziner Lauterbach - als Halbgott in Weiß scheint er dem Schöpfer sogar noch näher - nur billig sein. "Ein Sozi und zehn Mann" sollten also mehr als ausreichen, den Bundestag auf Spur zu bringen. Bei Corona agierte der Gesundheitsminister ja schon fast so, Grund- und Freiheitsrechte waren nicht mehr so wichtig.

Wir handeln nach Recht und Gesetz...

Droht also die Einführung einer neuen Jakobinerherrschaft durch selbstherrliche Despoten, die die selbstgegebenen Spielregeln nicht beachten und eher eine Abstimmungsanarchie anstreben? Dann kann sich der Bürger nur mehr darauf verlassen, dass eigentlich auf nichts Verlass ist, aber dies zeigte zuletzt auch schon der Deutschlandtrend, bei dem an erster Stelle, was die meisten Zukunftssorgen verursacht, die Bundesregierung genannt wurde. Statt also in bester jakobinischer Manier nach dem Motto "Wir handeln nach Recht und Gesetz, aber geköpft wird trotzdem" zu verfahren, könnten man den vermeintlichen "Angriffen auf den Parlamentarismus " und den "Parlamentstricks" demnächst vielleicht von Seiten der Ampel mit einer Geschäftsordnungsänderung begegnen wollen. Was wäre ersteinmal einfacher als zu beschließen, sofern genug anwesend sind, dass in Zukunft auch  nur 300, 200, 100 oder gar 10 Abgeordnete - wo man wieder bei den zehn Mann wäre - Gesetze beschließen können.  Dem Bürger kann man dabei sicher auch noch glaubhaft erklären, wieso eine Verringerung der Abgeordnetenzahl in einem ähnlichen Verhältnis nicht zielführend wäre. Zumindest die Störungen des gewohnten "demokratischen" Betriebs durch "undemokratische" Kräfte, die die Regeln jedoch erstaunlich gut kennen und augenscheinlich auf deren Einhaltung Wert legen, könnte man damit fürs Erste einmal reduzieren, bis etwas besseres einfällt.

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