Dr. Reuthers Buch klärt auf

Vertuschte Ursachen: Woran Beethoven, Kaiser Karl & Co. wirklich starben

Kultur
Hintergrund: Freepik; Beethoven: Gemälde Joseph Karl Stieler (ca 1820) & Kaiser Karl - gemeinfrei via Wikimedia Commons; Buch: Engelsdorfer Verlag; Komposition: Der Status

Bei Cäsar ist es relativ unbestritten und auch bei Marie Antoinette bleibt relativ wenig Spielraum für Spekulationen. Bei anderen historischen Persönlichkeiten sieht es dagegen, was den Grund ihres Ablebens betrifft schon anders aus. In seinem neuesten Buch geht der Bestsellerautor und ehemalige Chefarzt Dr. Gerd Reuther den Todesursachen von 13 berühmten Persönlichkeiten nach.

"Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag“: Diese Worte von Sir Arthur Conan Doyle, dem Schöpfer des berühmten Detektivs Sherlock Holmes, stellt Dr. Gerd Reuther seinem neuesten Buch "Letzte Tage - Verkannte und vertuschte Todesursachen berühmter Personen" voran. Und auch mit geradezu detektivischer Sorgfalt analysiert Reuther die möglichen Todesursachen von berühmten Persönlichkeiten wie Beethoven, Königin Louise, Kaiser Karl oder Descartes bis hin zu Paganini.

Fehldiagnosen und Nachlässigkeit

Und dies ist auch nötig. Denn schon 1863 beklagte der Pathologe Rudolf Virchow die „große Nachlässigkeit, mit welcher auf den Totenscheinen die Krankheiten von den Ärzten angegeben werden.“ Allerdings war es nicht immer Nachlässigkeit, sondern oft spielte auch der Vorsatz eine Rolle. Ob zum Schutz des Verblichenen und seiner Hinterbliebenen, etwa bei Selbsttötungen oder aber die klassische Erkältung, wenn es darum ging, einen Giftmord zu vertuschen. Auch Fehldiagnosen waren, den Kenntnissen der Zeit geschuldet, oft Ursache für spätere Spekulationen.

Gerüchte und Spekulationen

Und nicht selten wurden die Patienten auch einfach tot-kuriert. Nicht umsonst ließ der französische Theaterdichter Moliére (1622-73) eine Schauspielerin erklären, niemand solle sagen "dieser Mensch da starb an einem Fieber oder einem Katarrh, sondern er starb an vier Ärzten und zwei Apothekern", wie Reuther ausführt. Und je bekannter und berühmter eine Person war, desto reichhaltiger auch die Theorien zu seinem Tod, die sich teilweise bis heute halten. So etwa bei Mozart - der zwar nicht Gegenstand der Reutherschen Betrachtungen ist, für dessen Tod jedoch schon Ermordung durch mindestens drei verschiedene Täter über Schlaganfall, Syphilis, Nierenversagen bis hin zu rheumatischem Fieber verantwortlich gemacht wurden.

Beethoven: Wassersucht und Leberzirrhose?

Bei den Diagnosen zu "seinen 13 Patienten" nimmt der ehemalige Chefarzt den Leser auf eine interessante Reise in die Geschichte und auch die Medizingeschichte mit, bei der auch für Zusammenhänge für Laien verständlich erklärt werden. Bei Ludwig van Beethoven lautete beispielsweise der Obduktionsbericht, dass er an einer Wassersucht infolge einer Leberzirrhose litt. Und zu seinem Gesundheitszustand wurde lange spekuliert. So wurden für seine Taubheit sowohl Syphilis als auch später erbliche cochleare Otosklerose verantwortlich gemacht, letztere findet sich noch immer in vielen Biographien.

Bleivergiftung durch "guten Wein"

Weitere Aufklärung brachte erst die Analyse einer Haarlocke des Komponisten. Die Messwerte für Blei waren massiv erhöht. Wie Reuther erklärt, sind die Beethovenschen Symptome typisch für eine chronische Blei-Intoxikation. Blei schädigt die Nerven des Darms, kann dadurch zu Verdauungsstörungen führen und auch motorische Störungen an den Händen und wie auch Schädigungen des Hörnervs sind dadurch zu erklären. Zudem kann Blei auch ohne Alkohol eine Leberzirrhose verursachen.

Und mit Blei kam er häufig in Berührung. Es wurde nicht nur als Bleizucker im medizinischen Bereich verwendet, auch bei Wein wurde es genutzt. Beethoven bevorzugte Weine, die nicht zu „trocken“ waren sowie Punsch. Diese teueren Weine waren üblicherweise mit bleihaltigem Most versetzt, um sie "fruchtiger" zu machen. Zugleich wurde damit auch die Haltbarkeit verbessert. Auch in Wien, mit seinen damals häufig kalten Sommern kam diese Methode zur Anwendung. So gesehen war Beethoven wohl das Opfer eines frühen "Glykol-Skandals"...

Kaiser Karl und die spanische Grippe

Als weiteres Beispiel sei noch Kaiser Karl genannt. Gewöhnlich wird für den frühen Tod des Ex-Kaisers die spanische Grippe verantwortlich gemacht. Laut Reuther gibt es dabei aber einige Faktoren, die auf andere Ursachen hinweisen. Denn in Funchal auf Madeira gab es damals keine epidemische Häufung von Grippefällen. Zudem, so Reuther gehörte der Ex-Kaiser mit seinen jungen Jahren auch nicht zu der Risikogruppe und außerdem führt eine Lungenentzündung auch nicht zu massiver Atemnot bis hin zur Erstickung, wie es bei ihrer apostolischen Majestät der Fall war. Für den ehemaligen Chefarzt sind daher andere Gründe zu beachten. So dürfte sich der Habsburger auf dem Rückweg von Funchal zur in den Bergen gelegen Villa aufgrund des Wetters verkühlt haben.

Anstrengende Therapie und Feuchtigkeit

So war die Villa des Kaiserpaares unbeheizt, feuchtkalt und aufgrund der Kälte auch nicht ordentlich durchgelüftet. In diesem Klima gedeihen Keime und Pilze, die eine Atemwegsinfektion in eine Superinfektion verschlimmern können. Außerdem war auch die Therapie der Ärzte - Injektionen von Terpentin in beide Füße, Schröpfköpfe um Blut zu entziehen sowie das Auflegen von Senfblättern - nicht dazu angetan, die Abwehrkräfte des Patienten zu stärken. "Es war wohl die unglückliche Kombination aus Wohnbedingungen und Therapie, die für einen gesunden 35-jährigen Mann zur Todesfalle wurde", vermutet Reuther.  

Kein Anspruch auf die Wahrheit

Mit seinem Buch erhebt Gerd Reuther aber keinesfalls einen Anspruch darauf, alle Zweifel auszuräumen. "Bekanntermaßen soll man denen misstrauen, die vorgeben, die Wahrheit gefunden zu haben, aber nicht denen, die sie suchen", stellt er klar. Er will lediglich auf unterhaltsame Weise den Versuch unternehmen, abwegige Diagnosen zu verwerfen, auch wenn es an Fakten, die zur Gewissheit führen könnten fehlt. Dabei ist dem Autor wichtig festzuhalten: "Mein Buch versteht sich als Sondierstange in einer Zeitlawine, die aufspürt, wo es sich zu graben lohnt. Haben Sie den Mut, Todes-Narrative zu hinterfragen!"  

Gerd Reuther: Letzte Tage - Verkannte und vertuschte Todesursachen berühmter Personen
Engelsdorfer Verlag (Dezember 2022)
Paperback, 197 Seiten
ISBN: 978-3969404362
Preis: 16,80 Euro


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