Fragwürdiger IV-Vorstoß

Schuften bis ins Grab: Jetzt steht Pension mit 70 im Raum...

Wirtschaft
Symbolbilder: Freepik (2); Komposition: Der Status.

Am Mittwochabend ließ Georg Knill, der Chef der Industriellenvereinigung (IV) mit der Idee aufhorchen, dass die Menschen künftig erst mit 70 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen können. Der Vorschlag stößt auf herbe Kritik, wobei der ORF diese wieder einmal nur sehr selektiv zitiert: Rote und schwarze Arbeitnehmer-Vertreter dürfen sich zum Schein empören - aber die ablehnenden Äußerungen von FPÖ-Politikern werden ausgespart...

IV-Chef fordert: Erst mit 70 in Pension

Eigentlich gäbe es in Dänemark ja durchaus einiges, das man sich abschauen könnte. Etwa den Allparteien-Konsens zu einer strikteren Migrationspolitik. Oder die staatliche Effizienz, wie man es zustande bringt, bei beträchtlicher Abgabenlast wenigstens auch einen umfassenden Sozialstaat mit Bevorzugung der einheimischen Bevölkerung zu gewährleisten. Bei Corona setzte man bereits auf Öffnungen, als man in Österreich noch von Lockdown zu Lockdown dachte und einen staatlichen Stichzwang einführte. Das Land in Skandinavien hat zudem eine stabile Wirtschaft und niedrige Inflation - und entschied sich gegen eine Euro-Einführung.

Doch Knill richtet seine Augen - neben der Überlegung zur Abschaffung und Zusammenlegung einer Vielzahl von Gemeinden nach dänischem Vorbild - vor allem auf die jüngsten Pläne aus Kopenhagen zum Pensionsrecht. Dort soll das gesetzliche Pensionsantrittsalter nämlich bis 2040 schrittweise auf 70 Jahre angehoben werden, im Tandem mit einer steigenden Lebenserwartung. In der "ZiB2" bezeichnete der IV-Chef die Kopie des späteren Pensionsalters auch in Österreich als "wichtigen, wesentlichen Baustein einer Strukturreform, die jetzt notwendig ist." 

Noch mehr Arbeitslosigkeit im Alter?

Der Knill-Vorschlag bedeutet bald bis zu 55 Jahre Schwerstarbeit; die einst auf FPÖ-Vorschlag eingeführte "Hacklerregelung", die eine abschlagfreie Pension nach 45 Jahren für bestimmte Berufsgruppen vorsah, wurde schon von Schwarz-Grün abgeschafft. Und das Hauptproblem daran: In Österreich hinkt das faktische Pensionsalter ohnehin bereits hinter dem gesetzlichen nach. Dies liegt auch daran, dass es für Menschen bereits ab 55 Jahren zunehmen schwierig ist, am Arbeitsmarkt eine neue Anstellung zu finden. Mit 12,1% liegt die Arbeitslosenquote bei Männern ab 60 Jahren deutlich über dem Schnitt aller Altersgruppen.

Da diese dann trotzdem Sozialleistungen - allerdings ohne echte Job-Perspektive - erhalten, beträgt der Einsparungseffekt für das Budget laut einer Berechnung aus gewerkschaftsnahen Kreisen nur etwas mehr als ein Drittel im Vergleich mit der realen Möglichkeit, tatsächlich bis 65 Jahre arbeiten zu können. Apropos Gewerkschaften & Co.: Deren Kritik zitiert der ORF in seinem Artikel zum Knill-Pensionsvorschlag ausgiebig: Hier ein roter Gewerkschafts-Boss, dort ein Landeschef des ÖVP-Arbeitnehmerbundes, da noch ein SPÖ-Spitzenpolitiker. Völlig ausgespart wird in der Berichterstattung beim Staatsfunk hingegen die freiheitliche Kritik am Vorschlag.

FPÖ: Vorschlag ist "Zynisch" und "unsozial"

Dabei fiel diese nicht zu knapp aus: So thematisierte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch, dass nun mit dem IV-Chef der dritte "ÖVP-Beauftragte" in kurzer Zeit für ein höheres Pensionsalter ausreitet. Dessen Vorschlag sei aber "nicht nur völlig realitätsfern und zynisch", sondern auch ein "Bashing älterer Arbeitnehmer in neoliberaler Manier, das völlig fehl am Platz ist." Als IV-Chef solle sich Knill eher damit befassen, wie man junge Menschen, ältere Arbeitnehmer und Langzeitsarbeitslose in Beschäftigung bringt, statt dafür zu sorgen, dass "viele Menschen noch länger im 'Wartesaal' der Arbeitslosigkeit, der Notstandshilfe oder in einer Invalidität verharren" müssen.

Auch Daniel Jägerbauer von den "Freiheitlichen Arbeitnehmern" nimmt kein Blatt vor den Mund: "Unsere Hackler verdienen eine faire Pension. Die Arbeitnehmer werden vom System gedemütigt und verraten." Er kontrastierte den TV-Auftritt von Knill im Maßanzug mit der Realität vieler Arbeiter: "Versuchen Sie einmal, mit 70 eine Betonplatte zu schleppen, eine alte Dame aus dem Pflegebett zu heben oder im Winter mit der Schneeschaufel die Landesstraße freizumachen! Nicht ganz Österreich sitzt im klimatisierten Luxusbüro und bastelt irgendwelche Tabellen. [...] Wer früh hackelt, soll auch früher in Pension gehen dürfen. Alles andere ist unsozial, weltfremd, ungerecht." 

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