Quo vadis, Amerika?

Donald Trump und eine Kulturrevolution amerikanischer Charakteristik

Welt
Bild: Unser Mitteleuropa | Mao Zedong & Donald Trump: Zum Ende ihrer Amtszeiten fliegen die Späne | Quelle: Shanghai Red Guards, Public domain & Screenshot White House Video

Mitte der 60er Jahre befand sich Mao Zedong in einer widersprüchlichen Lage. Einerseits war er der unangefochtene Herrscher von China. Andererseits standen seiner Macht zwei «Supermächte» entgegen: Die Sowjetunion und Vereinigten Staaten. Trump geht heute es ganz ähnlich. Ein Essay von Jury Tawrowsky.

Ein Beitrag aus unserer Kooperation mit Unser-Mitteleuropa

 Von JURY TAWROWSKY - Übersetzung: Unser Mitteleuropa

Mitte der 1960er machte sich innerhalb Chinas Unzufriedenheit mit Maos Experimenten breit. Die gravierendste Klage betraf den sogenannten „Großen Sprung nach vorn“, der Chinas Wirtschaft zerstörte und Dutzende Millionen Menschenleben kostete. Großer Widerstand ging vom denkenden und organisierten Teil der Gesellschaft aus – der regierenden Kommunistischen Partei.

Die US-Partner der NATO und in Asien sollen künftig erhöhte Militärausgaben zugunsten der US-Kriegspolitik schultern

Der Parteiapparat, von den Bezirken bis zum Zentralkomitee der KPCh, wurde von professionellen „Ganbu“ – Managern (Kadern) mit umfassender politischer und militärischer Erfahrung – beherrscht. Genossen des Untergrundkampfes und Mitstreiter aus den Tagen des „Langen Marsches“ (1934–35), der „Sonderregion Chinas“ in den Höhlen von Yan’an (1935–47) bzw. des Bürgerkriegs (1946–49) standen in vielfältiger Verbindung. Mao Zedong schien angesichts dieser Lage interne Opposition dieser Fraktionen und Gruppierungen mehr zu fürchten als „sowjetische Revisionisten“ oder „amerikanische Imperialisten“. Deshalb entwarf er einen Plan zur Zerschlagung des Parteiapparats, sprich des gesamten bestehenden Machtsystems – und setzte ihn um. Der Plan wurde als „Große Proletarische Kulturrevolution“ bekannt, die unerbittlich über zehn Jahre – von 1966 bis zu Maos Tod im Jahr 1976 – tobte.

Trump und ein potenzielles Bündnis zwischen China und Russland

Der 47. Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, befindet sich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit in einer widersprüchlichen Lage. Einerseits scheint er die größte Wirtschaft der Welt und das mächtigste Militär mit globalen Stützpunkten hinter sich zu haben. Andererseits ist er in zwei Kalte Kriege – einen gegen Russland und einen gegen China – verstrickt. Zugleich haben die USA durch ihre weltweiten Handels- und Technologiesanktionen sowie durch militärischen Druck zur „Eindämmung“ Chinas und Russlands eine unvermeidliche Annäherung zwischen Moskau und Peking weiter vorangetrieben. Vier Jahre unter der ersten Trump-Administration und weitere vier unter Joe Biden haben den Vereinigten Staaten nicht gereicht, um sich gegen Russland oder China als globaler Hegemon durchzusetzen. Der einzige Weg, dies zu erreichen, würde über einen Atomkrieg führen – was jedoch für den „Friedensstifter“ Trump nicht infrage kommt. In seiner zweiten Amtszeit hingegen versucht Trump, seine Kräfte zu bündeln und direkte Konfrontationen zu vermeiden, um durch Forschung und Technik einen Vorsprung zu erzielen. Elon Musk und J.D. Vance sollen mit Hilfe natürlicher und künstlicher Intelligenz „Amerika wieder groß machen!“ Trump und seine Administration sind sich bewusst, dass ihre führende Rolle und die nationalen Interessen der USA nicht durch Russland bedroht werden, das zwar einen „zweiten Aufwind“ erlebt, jedoch durch Mobilisierungsbemühungen auf militärischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und sozialen Gebieten vielfach absorbiert wird. Auch Peking bedroht Trumps Machtposition und Amerikas Sicherheit nicht, da es auf seinem Weg zum „Großen Aufbruch der chinesischen Nation“ erhebliche Hindernisse spürt. Trotzdem werden die noch verbliebenen „Verfechter des Kalten Krieges“ auch unter Trump versuchen, Moskau weiterhin Schaden zuzufügen. Trumps antichinesische Reflexe werden sich trotz versöhnlicher Gesten von Musk und anderen US-Unternehmern mit Wirtschaftsinteressen in China fortsetzen. Dies wird es den USA ermöglichen, strategische Ressourcen an der russischen und chinesischen Front einzusparen, während zugleich ihre Partner bei der NATO und in Asien aufgefordert werden, einen größeren Anteil an den Militärausgaben zugunsten der USA zu tragen. Die Vereinigten Staaten möchten die freigewordenen Ressourcen in die Wiederbelebung ihrer Wirtschaft investieren und im innenpolitischen Kampf nutzen. Die Nation ist tief gespalten. Die Bühne scheint bereitet für eine Eskalation des innenpolitischen Konflikts – bis hin zu einem Bürgerkrieg und einem möglichen Zerfall der USA!

Trump wird sich großen Herausforderungen stellen müssen – unter anderem der Gefahr, Opfer weiterer Komplotte zu werden.

Um seine innenpolitische Position zu halten, ist Trump fieberhaft bemüht, außenpolitische Erfolge zu erzielen. Ein Treffen in Riad könnte ihm finanzielle Vorteile bringen, eine Zusammenkunft mit Wladimir Putin politischen Erfolg. Das bisherige US-Engagement in der Ukraine wird von der Bevölkerung als untragbare Belastung wahrgenommen. Trump plant einen großen Coup: Er möchte Gebiete von Grönland, Kanada, Mexiko, dem Panamakanal sowie Gaza für die USA reklamieren. Das würde „Amerika groß“ machen – wenn auch nur geografisch. Doch dieses „Spiel“ ist mit hohem Risiko verbunden – Erfolg und Niederlage liegen eng beieinander. Selbst ein Teilerfolg bei diesen imperialistischen Plänen könnte Trumps Ansehen sowohl bei Republikanern als auch Demokraten steigern. Ein Misserfolg hingegen würde seine Autorität untergraben und dem „Tiefen Staat“ Auftrieb verleihen. Deshalb wird es für Trump entscheidend sein, den „Sumpf in Washington D.C.“ rasch trockenzulegen und die Strukturen der Demokratischen Partei weiter zu zerschlagen. Unmittelbar nach Trumps Amtsantritt nahm die „Kulturrevolution mit amerikanischer Charakteristik“ mit ihrer Zentrale im Weißen Haus ihre Arbeit auf. Sie heißt offiziell „Department of Government Efficiency“ (DOGE) und wird von Elon Musk geleitet. Musk hält keine Position in der Republikanischen Partei – genauso wenig wie Jiang Qing, die Frau von Mao Zedong, die einst in China die „Gruppe Kulturrevolution“ anführte. Ihrer Gruppe gehörten weniger bekannte Ideologen und Journalisten aus Shanghai, der „zweiten Hauptstadt“ Chinas, an. Berühmte und einflussreiche Schriftsteller, Universitätsprofessoren und Parteifunktionäre gerieten ins Visier der Kritik oder wurden verhaftet. Die Armee und die Sicherheitsorgane hielten sich zunächst zurück, doch Studenten und Oberschüler wurden in die Auseinandersetzungen hineingezogen.

Historische Parallelen zu den Rotgardisten

Sie wurden als „Hongweibin“ (Rote Garde) bezeichnet und erhoben sich gegen Lehrer, Professoren und vormals allmächtige Parteiführer. Ihre Lieblingsslogans lauteten: „Alles niedermachen!“ und „Feuert auf das Hauptquartier!“ So lautete Maos Befehl, den die Roten Garden auch ausführten. Parteikomiteeleiter, Wissenschaftszentren und Fabrikleiter wurden öffentlich gedemütigt, teils getötet oder „zur Umerziehung“ in Arbeitslager oder ländliche Gebiete verbannt. Mit der Liquidierung der Parteimacht wurden „revolutionäre Komitees“ zur Kontrolle der Gesellschaft eingerichtet – eine Maßnahme, die in der Verfassung der Volksrepublik China nicht vorgesehen war, aber Aufrührer hervorbrachte. Die Wirtschaft, soziale Ordnung, ethische Normen und althergebrachter Anstand verfielen. Die „Zehnjährigen Wirren“, wie die „Kulturrevolution“ offiziell in Peking genannt wird, dauerten von 1966 bis 1976 und endeten erst mit Maos Tod. Wie Mao nimmt auch Trump die Zentralen seiner Gegner ins Visier. Sein erster großer Schlag traf USAID, eine multidisziplinäre Organisation, die sowohl Aufgaben des Außenministeriums als auch der CIA übernimmt. Milliardenbeträge flossen nicht nur in „Farbrevolutionen“ von Venezuela bis zur Ukraine, sondern auch in fragwürdige „Think Tanks“ und ausländische Medien. Elon Musk und seine „Hongweibin“ vom DOGE lähmten ein zentrales Machtzentrum Washingtons und entzogen Tausenden liberaler „Ganbu“ ihre Einkünfte. Mit künstlicher Intelligenz und seinem eigenen Managementgeschick drang Musk bereits in gesperrte Bereiche der CIA, des Verteidigungsministeriums und anderer Bastionen des „Tiefen Staates“ ein. Die wachsende Instabilität der USA droht, ihre Macht zu spalten – eine Gefahr, die an das Schicksal einst großer Reiche erinnert. Die Kulturrevolution hat China fast zerstört – nun droht diese Gefahr Amerika!

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