Einmarsch bei den Helfern

Zu viele Deserteure in Ukraine: Spezial-Operation gegen Fahnenflucht

Politik
Bild: President Of Ukraine, CC0 1.0, Flickr

Die Lage an der Front im Osten verschärft sich für die Ukraine immer mehr. Stetig rücken die russischen Truppen vor und besetzten zuletzt die Ortschaft Kurachowe. Daran können auch alle Forderungen nach Waffenlieferungen von Ukraine-Machthaber Wolodymyr Selenski kaum etwas ändern. Denn der ukrainischen Armee gehen zunehmend die Soldaten aus, die die Waffen bedienen könnten. Nun geht Kiew mit einer "Aktion Scharf" gegen Fahnenflüchtige und Wehrdienstverweigerer vor.

600 Razzien im ganzen Land

Es dürfte sich um eine großangelegte Spezialoperation handeln, mit der die ukrainische Polizei versucht, gegen Deserteure vorzugehen. So fanden in einer ersten Phase über 600 Razzien durch Polizei und Geheimdienst im gesamten Land statt. Diese Aktion war gegen Schlepperbanden gerichtet, die wehrpflichten Männern dabei helfen, das Land zu verlassen und über die rettende Grenze zu gelangen. Denn für Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren ist die Ausreise aus der Ukraine nur in Ausnahmefällen gestattet.

Auch der ORF berichtet über die Spezialoperation: "Tausende oder sogar Zehntausende Ukrainer könnten nach inoffiziellen Schätzungen mit Hilfe von Schleusern, falschen Papieren oder Bestechungsgeldern an Grenzschutzbeamte illegal ausgereist sein. Dutzende von ihnen kamen beim Versuch, Grenzflüsse zu durchschwimmen, ums Leben."

Und die Ukraine macht in dieser Hinsicht auch keine Gefangenen. Erst im Sommer hielt der ukrainische Grenzschutz in der Nähe zu Moldau eine von einem Übungsplatz geflohene Gruppe von Soldaten auf. Dabei wurde einer der Deserteure erschossen.

Immer mehr fliehen von der Front

Ob sich mit der Spezialoperation das Problem wirklich eindämmen lässt, ist fraglich. Zuletzt nahm die Zahl der Desertionen deutlich zu. Allein in den ersten 10 Monaten 2024 gab es fast doppelt so viele Verfahren gegen Soldaten wegen Desertion als 2022 und 2023 zusammen. Bis zu 200.000 Soldaten, so wird geschätzt, entfernten sich unerlaubt von ihren Einheiten oder kehrten nach einem Urlaub oder einer Verwundung einfach nicht mehr zurück. Auch Fälle von Befehlsverweigerung würden sich häufen - Der Status berichtete.

Dazu kommt auch, dass zuletzt selbst in westlichen Medien, wie etwa im Le Monde schockierende Bilder und Videos die Runde machten - die zuvor immer als Kremlpropaganda abgetan wurden - die das brutale Vorgehen ukrainischer Rekrutierer und Greiftrupps zeigen. Berichte über diese "Busification" - ein neu gebildetes Wort, welches beschreibt, wie potentielle Soldaten auf der Straße weggefangen und in Transporter gezerrt werden, machten die Runde und zeichneten ein zweifelhaftes Bild von der Ukraine als Bollwerk der Freiheit.

So scheint es auch keine Wunder, dass auch wohl eher als verlässlich geltende Soldaten, die sich auf Ausbildung im Ausland befinden, die Beine in die Hand nehmen, wie zuletzt, als Dutzende ukrainische Soldaten desertierten, die sich in Frankreich zur Ausbildung befanden.

Schickt die Eliten an die Front

Kein Wunder also, dass Selenski und seine Regierung seit Monaten, etwa im September 2023 oder im Jänner 2024 und seither in immer kürzeren Abständen die EU-Staaten dazu auffordern, die geflohenen Ukrainer im wehrdienstfähigen Alter abzuschieben und zurückzuschicken. Die Begeisterung für einen Fronteinsatz dürfte sich bei ihnen allerdings in ähnlich in engen Grenzen halten, wie bei ihren Landsleuten, die in Frankreich der Fahne adieu sagten. Vielen dürfte wohl auch die Art der Eiberufung - Stichwort "Busification" - oder auch die Korruption, mit der man es sich richten kann und die für Ungerechtigkeit beim Wherdienst sorgt, sauer aufstoßen.

Kritik daran übte Anfang 2024 schon derehemalige ukrainische Innenminister und Ex-Generalstaatsanwalt Jurij Lutsenko, der ab Beginn des Krieges 2022 in der Armee diente, an mehreren Gefechten teilnahm und aufgrund 2023 aus  körperlichen Gründen seinen Dienst beendete. Er forderte damals, dass auch die Eliten an die Front gehen sollten. "Die Armee sollte nicht nur aus Arbeitern und Bauern bestehen, jeder sollte für die Ukraine kämpfen. Das erfordert allein der Gerechtigkeitssinn", so Lutsenko.

Dienst Ja, aber eh im Stab...

Doch die Eliten können es sich richten. Daraus machte auch der damalige Selenski-Berater Sergej Leschtschenko keinen Hehl, der Anfang 2024 die Rückkehr seiner Landsleute forderte und erklärte, dass sie keine Sorge haben müssten, weil eh nicht jeder an die Front müsse. Auf ihn trifft es wohl definitiv zu. Damals gefragt, ob er selbst zum Militär gehen würde, antwortete der Selenski-Berater mit Ja - allerdings sorgte er sich nicht vor einem Einsatz an vorderster Front. 

"Früher oder später wird jeder Ukrainer eine Rolle in einer Verteidigungseinheit spielen, auch ich. Natürlich werde ich gehen, wenn ich mobilisiert werde. Aber ich würde wahrscheinlich in einem Büro einer Brigadeeinheit landen, ich denke, dass ich mit dem, was ich jetzt tue, ebenso viel helfe", erklärt er. Also jeder nach seinen Fähigkeiten, für Präsidentenberater ein Schreibtisch im Stab, für den Schlamm der Schützengräben und das Grab am Schlachtfeld sind andere besser geeignet...

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