Wirtschaft in 'struktureller Krise': Doch Verlierer sondieren ganz unbekümmert...
ÖVP, SPÖ und NEOS sondieren und verhandeln im Schneckentempo, dabei ist die Wahl am Sonntag bereits neun Wochen her. Indes ist in Österreich Feuer am Dach. Die Pleiten schnellen nach oben und würden eigentlich schnelles Handeln einer schlagkräftigen Regierung erforderlich machen. Nach KTM und dem Auto-Zulieferer Schaeffler erwischt es nun ein Siemens-Werk in Wien. Dass inzwischen sogar schon ein leitender Wirtschaftsforscher for einer "strukturellen Krise" der Wirtschaft warnt, scheint sie aber nicht zu kümmern...
Kleinkrieg statt Verhandlung
Zuletzt war wieder mehr Kabarett statt Verhandeln angesagt, so hatte es zumindest den Anschein. Während die NEOS sich über den Gehaltsabschluss für die Beamten erbosten und übergangen fühlten und sich deshalb die drei Parteichefs zu einem klärenden Gespräch trafen, gab es auch an anderer Front bereits Zwist.
Neos-Abgeordneter und Gastronom Sepp Schellhorn, der öfter mal für Aufsehen sorgt, mischte in sozialen Medien im Streit zwischen SPÖ-Boss Andreas Babler und dem Herausforderer für den Chefsessel der Sozialdemokraten Rudi Fussi mit. Im Zuge der Lebensbeichte und der jüngsten Pressekonferenz des Babler-Herausforderers postete er: "Rudi Fußi hat in Vielem recht. Das muss man einfach sagen".
Wohl nicht zur Freude der Genossen, da er das Posting später wieder löschte. Auch sonst gab es schon NEOS-Kritik an den Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ. Etwa, dass ORF-Stiftungsräte oder Aufsichtsräte der Energieversorger mit am Tisch saßen.
Sie wissen's selber: "Ganz alte Politik"
"Der Stiftungsrat des ORF ist vergleichbar mit dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. Stiftungsräte von SPÖ und ÖVP, deren Aufgabe es ist, für den ORF zu lobbyieren, sollen nun über den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk verhandeln – und ebenso über andere Marktteilnehmer? Das ist ganz alte Politik!", kritisierte etwa NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter auf Bluesky, wie Medien berichteten.
Aus dem "Nicht weiter so" wurde offenbar sehr schnell ein "Weiter so und durch". Diese alte Politik zeigt sich auch in anderen Bereichen. Denn schon während der Inflationrekorde vor einigen Monaten versuchte die damalige Bundesregierung aus ÖVP und Grünen das Thema einfach durchzutauchen. Man gab sich mit beobachten und sondieren zufrieden, anstatt mit Mietpreisbremsen oder Mehrwertsteuersenkungen wirksame Entlastungsmaßnahmen zu setzen.
Auch nun fehlt Österreich eine arbeitsfähige Regierung. Denn allein in dieser Woche zeigten drei Hiobsbotschaften - von "kleinen Fällen", die keinen Niederschlag in Medien finden, gar nicht zu reden - die Auswüchse der bisherigen "alten Politik", die nun eine Wiederholung erfährt.
KTM, Schaeffler & Siemens-Energie...
So erfolgte diese Woche nach Kika/Leiner mit dem Motorradproduzenten KTM die zweite Großpleite innerhalb kurzer Zeit. Rund 3.700 Mitarbeiter des oberösterreichischen Unternehmens sind kurz vor der Weihnachtszeit von den schlechten Nachrichten betroffen. Am Freitag wollen die KTM AG, die KTM Components GmbH und die KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH ein Sanierungsverfahren beantragen. Zudem wurde ein Produktionsstopp für das neue Jahr angekündigt, was eine Arbeitszeitreduktion auf 30 Stunden bedeute und ab März soll von Zwei- auf Ein-Schicht-Betrieb umgestellt werden.
Kurz danach verkündete der Auto- und Industriezulieferers Schaeffler, dass er sein Werk im niederösterreichischen Berndorf schließen und die Produktion nach Osteuropa verlagern will - 450 Mitarbeiter sind von dem Aus betroffen. Und nun kündigte auch noch Siemens an, sein Werk in Wien für industrielle Stromversorgung bis 2026 dicht machen zu wollen. Betroffen sind 178 Mitarbeiter, für die Jobersatz im konzernnahen Umfeld gefunden werden soll. Begründet wird die Schließung mit einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Strukturelle Krise in Österreich
Der Wirtschaftsforscher und Fiskalratspräsident Christoph Badelt, der zuvor auch Chef des WIFO und Rektor der Wiener Wirtschaftsuniversität war, fand in der ZIB2 am Mittwochabend klare Worte zu der Situation, in der sich Österreichs Wirtschaft befindet. "Wir haben eine strukturelle Krise in der österreichischen Industrie", so Badelt, denn Österreich sei schlechter aus den multiplen Krisen gekommen als andere Länder. Das Land sei stärker betroffen von steigenden Energiekosten. Zudem hätten Maßnahmen der Politik "die Wirtschaft negativ berührt".
Laut seiner Analyse müsse mehr in Bildung investiert werden, weil die Arbeitskräfte der Wirtschaft abgehen würden, dazu brauche es ebenfalls Aufholbedarf bei der Digitalisierung und auch die Transformation zu nachhaltigen Energiequellen müsse rascher erfolgen, so Badelt, der sich damit im gängigen Narrativen bewegt, etwa wenn er auch darauf hinweist, dass Autoindustrie und Zulieferindustrie "die Entwicklung zum E-Auto nicht so schnell vollzogen haben, wie das die Chinesen gemacht haben". Die grundsätzlichen Weichenstellungen der Transformations- und Klimapolitik stellt er somit allerdings nicht in Frage.
Zudem, seien laut ihm für die Budgetkonsolidierung nicht nur Einsparungen der Regierung notwendig, sondern auch um neue Steuern und Steuererhöhungen könne man vielleicht nicht herumkommen. Wie eine Verliererkoalition, die in Teilen maßgeblich an der Krise verantwortlich ist, diese beheben soll, dürfte spannend werden und für die Bürger nichts Gutes verheißen. Aber vielleicht nimmt man sich ja ein Beispiel an der scheidenden Pannen-Koalition, irgendwo ist gewiss noch Platz für einen Sitzkreis...
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