Waffen statt 'halbe Kindersoldaten': Selenski fordert mehr Raketen
Zuletzt hatten die USA von der Ukraine die Herabsetzung des Einberufungsalters verlangt, um die Reihen der ukrainischen Armee aufzufüllen. Diesem Ansinnen erteilte Ukraine-Machthaber Wolodymyr Selenski nun eine deutliche Absage. Stattdessen fordert er mehr Waffen und Ausrüstung von den westlichen Verbündeten. Damit versucht er wohl, auch innenpolitisch wieder etwas mehr Zustimmung zu bekommen.
Ellenlanger Wunschzettel aus Kiew
Der Wunschzettel der Ukraine nach mehr Geld, Waffen und Ausrüstung ist nahezu unendlich. Es gibt eigentlich nichts, wovon die Verbündeten USA und EU genug liefern können. Dabei wird von westlicher Seite immer wieder betont, dass der Ukraine vor allem Soldaten fehlen und Kiew zuerst an den Mobilmachungsschrauben drehen sollte, bevor mehr Waffen geliefert würden, die dann niemand bedienen könne, weil Soldaten fehlen.
Zuletzt hatte auch die Biden-Administration, die im Jänner 2025 durch die Präsidentschaft Donald Trumps abgelöst wird, nicht nur den Konflikt mit der Reichenweitenfreigabe für Marschflugkörper eskaliert, sondern auch eine Herabsetzung des Wehrdienstalters auf 18 Jahre gefordert. Mit einem verpflichtenden Kriegseinsatz direkt ab Eintritt der Volljährigkeit würde die Ukraine haarscharf am Einsatz von Kindersoldaten nach UNICEF-Definition vorbeischrammen.
Mehr Raketen gegen Russland
Diesen Forderungen der USA erteilte Selenski nun auf X eine Absage. Dort schrieb er unter anderem: "Wir dürfen den Mangel an Ausrüstung und Ausbildung nicht durch die Jugend der Soldaten kompensieren." Und bestand zudem darauf, mehr Raketen für Angriffe auf Russland zu erhalten: "Priorität sollte die Bereitstellung von Raketen und die Verringerung des russischen Militärpotenzials haben, nicht das Wehrpflichtalter der Ukraine."
Ob der Konflikt damit eskaliert oder sich ausweitet, wenn zunehmend Ziele im Inneren Russlands mit Hilfe der "Verbündeten" angegriffen werden, um das "russische Militärpotential" zu verringern, ist für Kiew logischerweise zweitrangig, würde doch ein Übergreifen auf andere Staaten eher hilfreich sein.
There’s a lot of discussion in the media about lowering the draft age for Ukrainians to go to the frontlines. We must focus on equipping existing brigades and training personnel to use this equipment. We must not compensate the lack of equipment and training with the youth of…
— Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) December 9, 2024
Kriegsende oberste Priorität
Zudem erklärt Selenski weiter, dass das Wichtigste sei, gemeinsam daran zu arbeiten, wie dieser Krieg beendet werden kann - dies sei die oberste Priorität. "Ich wiederhole meinen Dank an Präsident Macron für die Organisation des Treffens und meinen tiefen Dank an Präsident Trump für seine feste Entschlossenheit, diesen Krieg zu einem fairen Ende zu bringen. Dies ist der richtige Ansatz, und es ist wichtig, dass alle Details gründlich ausgearbeitet werden, um sicherzustellen, dass der Frieden wirklich dauerhaft ist", so Selenski.
Weiter weist der ukrainische Machthaber hin: "Wir wissen, dass Amerika die Fähigkeit hat, bemerkenswerte Dinge zu erreichen - Dinge, die andere nicht erreichen konnten. Um diesen Krieg erfolgreich beenden zu können, brauchen wir Einigkeit - die Einigkeit Amerikas, Europas und aller Menschen in der Welt, denen Sicherheit wichtig ist - sowie starke Positionen und Garantien für den Frieden."
Innenpolitisch Zeit gewinnen
Dabei dürfte die Entscheidung Selenskis, das Einberufungsalter nicht auf 18 Jahre abzusenken - bisher war es bereits von 27 auf 25 Jahre herabgesetzt worden - nicht nur dem Wunsch entspringen, die jüngere Generation nicht gänzlich an der Front zu verheizen. Sondern auch, um innenpolitisch die Lage vorerst zu beruhigen. Denn die Ukrainer werden zunehmend kriegsmüde. So war Umfragen zufolge mit 52 Prozent eine Mehrheit der Ukrainer der Meinung, dass ihr Land so bald wie möglich ein Ende des Krieges aushandeln sollte. Auch die Abtretung von Gebieten ist für einen schnellen Frieden nicht mehr ausgeschlossen - Der Status berichtete.
Zudem ist auch die Zahl der Desertionen im Vergleich zu den ersten Kriegsjahren massiv angestiegen. Allein in den ersten 10 Monaten 2024 gab es rund 60.000 Verfahren gegen Soldaten, die in diesem Zeitraum unerlaubt ihre Stellungen verlassen hätten - fast doppelt so viele wie 2022 und 2023 zusammen. Insgesamt wird geschätzt, dass es bis zu 200.000 Deserteure sein könnten - Der Status berichtete. Und die Armee aufzufüllen wird immer schwieriger.
Zuletzt machten selbst in westlichen Medien schockierende Bilder und Videos die Runde - die zuvor immer als Kremlpropaganda abgetan wurden - die das brutale Vorgehen ukrainischer Rekrutierer und Greiftrupps zeigen. Berichte über diese "Busification" - ein neu gebildetes Wort, welches beschreibt, wie potentielle Soldaten auf der Straße weggefangen und in Transporter gezerrt werden, machten die Runde und zeichneten ein zweifelhaftes Bild von der Ukraine als Bollwerk der Freiheit.
So sähe Selenski seine Soldaten wohl am Liebsten - treu ergeben, bedingungslos gehorsam bis zum Ende:
Bild: President of Ukraine, Flickr, CC0
Forderungen nach Wahlen werden lauter
Aber auch an einer anderen Stelle wird der Druck auf Selenski größer. Zwar ist er nach wie vor als Präsident im Amt, obwohl seine Amtszeit bereits im Mai 2024 endete, aber die Gesetze der Ukraine sehen vor, dass während eines Krieges nicht gewählt wird. Und auch Selenski und seine Regierung hatten immer wieder betont, dass ein Wahl in Kriegszeiten und bei Millionen geflüchteter Ukrainer im Ausland rein organisatorisch nicht durchzuführen sei.
Zwar sind noch immer laut einer Umfrage der Meinungsforschungsgruppe „Rating“ 60 Prozent der Ukrainer gegen eine Abhaltung von Präsidenten- und 52 Prozent gegen eine Abhaltung von Parlamentswahlen, solange der Krieg nicht beendet ist, aber es waren schon einmal mehr und die Zahlen sinken beständig.
So berichtet der "Tagesspiegel" etwa über den ukrainische Unterleutnant Wjatscheslaw Kurbanow, der sich zu Kriegsbeginn freiwillig meldete, der nun politisch aktiv werden will und auf Neuwahlen drängt. Auch andere Wahlbefürworter argumentieren, dass wenn ein politischer Wille da wäre, dann könnten die Gesetze geändert und Wahlen auch im Krieg durchgeführt werden.
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