Kriegsverbrechen auf beiden Seiten

Vorwürfe gegen Ukraine wegen verbotener Landminen

Politik
Bild: ВО «Свобода», CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Im Krieg leidet zumeist die Zivilbevölkerung am stärksten. Vor allem, wenn keine der Seiten mehr irgendwelche Regeln kennt. So kommt auch die NGO "Human Rights Watch" in einem Bericht zu dem Ergebnis, dass in der Ukraine auch verbotene Anti-Personen-Minen zum Einsatz kommen. Dazu hat sie Fälle untersucht, wo mittels Raketen derartige Minen in russische-kontrollierten Gebieten abgeworfen wurden. Dabei hat die Ukraine das Übereinkommen zum Verbot von Landminen unterzeichnet.

Bereits 2022 hatte Human Rights Watch den Einsatz von Landminen in der Ukraine untersucht. Dabei war man zu dem Ergebnis gekommen, dass es zum Einsatz von Anti-Personen-Minen durch die russische Seite gekommen war. So im Gebiet östlich von Charkow, Donezk, Kiew und Sumi, wie Human Right Watch 2022 in einem Bericht festhielt. "Der dreiste Einsatz von Antipersonenminen durch Russland in einem Land, das diese Waffen ausdrücklich verboten hat, ist beispiellos und muss weltweit scharf verurteilt werden", erklärte damals Steve Goose, Direktor der Abteilung Waffen bei Human Rights Watch, Vorsitzender der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen und Friedensnobelpreisträger von 1997. Zudem gab es laut dem Bericht auch keine Anzeichen dafür, dass die Ukraine Minen zum Einsatz gebracht hätte.

Probleme der Durchsetzbarkeit

So ist auch ein Verbot von Landminen wirklich berechtigt, denn "Antipersonenminen sollten niemals eingesetzt werden, da sie eine unvermeidliche und langfristige Bedrohung für die Zivilbevölkerung und ihre Lebensgrundlagen darstellen", wie Goose richtig feststellt. Allerdings haben derartige internationale Übereinkommen und Verträge immer das Problem der Durchsetzbarkeit.

Das - etwas sperrig klingende - "Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung" wurde etwa von Russland nicht unterzeichnet, ebensowenig wie von rund 36 weiteren Staaten, darunter Ägypten, China, Indien, Iran, Israel, Nordkorea, Pakistan, Südkorea, Syrien, Saudi-Arabien und der USA.

Und das Problem ist nicht neu und betrifft auch das Übereinkommen zum Verbot von Streumunition oder den Atomwaffenverbotsvertrag, der zwar von einer ganzen Reihe von Staaten unterzeichnet und ratifiziert wurde, allerdings von keiner einzigen Atommacht und auch von fast keinem NATO-Staat.

Ukrainische Minen

Was den Einsatz von Minen betrifft, hatte Russland - welches das Verbot nicht unterzeichnet hatte - nie einen Hehl gemacht. Vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen hatte es im November 2020 erklärt, dass es zwar "die Ziele des Vertrags teilt und eine minenfreie Welt unterstützt", aber Antipersonenminen "als wirksames Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit der russischen Grenzen" betrachtet. Und man mag es mögen oder nicht, die Gebiete der Ostukraine und die Krim betrachtet es als eigene Gebiete und übt auch die Verwaltung darüber aus - die normative Kraft des Faktischen. Nun veröffentlichte "Human Rights Watch" einen Bericht, der einen Einsatz von Anti-Personen-Minen durch die Ukraine nahelegt

Einsatz von Minen um Isjum

"Die ukrainischen Streitkräfte haben anscheinend in großem Umfang Landminen in der Gegend von Isjum verstreut, was zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führt und ein permanentes Risiko für die Menschen darstellt", so Steve Goose, der weiter erklärt: "Die russischen Streitkräfte haben wiederholt Antipersonenminen eingesetzt und im ganzen Land Gräueltaten begangen. Das rechtfertigt jedoch nicht den ukrainischen Einsatz dieser verbotenen Waffen. "Russland hatte Isjum und die umliegenden Gebiete bereits am 1. April 2022 eingenommen und hatte sie bis zur Gegenoffensive der Ukraine im September unter seiner Kontrolle. Danach stellte die NGO vom 19. September bis 9. Oktober Untersuchungen an und befragte Einheimische und Minenräumer.

Russen räumten Minen

Dabei kam man zu dem Schluss, dass die Minen von Flugzeugen, Raketen und Artillerie oder Spezialfahrzeugen abgeschossen wurden. Funde von Raketen- bzw. Artilleriegeschossresten, die aufgrund ihrer Lage nahelegen, dass sie aus, vormals von der Ukraine kontrolliertem Gebiet abgefeuert wurden. Zudem befanden sich in den Gebieten, wo die Minen gefunden wurden, vormals russische Stützpunkte.

"Mehr als 100 Einwohner*innen von Isjum und aus der Umgebung sagten aus, dass die russischen Streitkräfte oder die Besatzungsbehörden Flugblätter aushängten und verteilten, um vor der Landminengefahr zu warnen. Sie räumten auch Landminen von öffentlichen Flächen und Privatgrundstücken und brachten einige Minenopfer zur medizinischen Versorgung nach Russland – Maßnahmen, die dagegensprechen, dass die russischen Streitkräfte diese Minen selbst platziert hatten", hält Human Right Watch zudem fest.

Rückfrage bei Verteidigungsministerium

Die NGO fragte auch im November des vergangenen Jahres beim ukrainischen Verteidigungsministerium nach. In der Antwort heißt es, dass man sich an seine internationalen Verpflichtungen, darunter auch an das Verbot des Einsatzes von Antipersonenminen hält. Allerdings wurde auf Fragen zum Einsatz von PFM-Minen in der Gegend von Isjum, mit dem Hinweis, dass "Informationen über die von der Ukraine eingesetzten Waffentypen ... nicht zu kommentieren sind, bevor der Krieg beendet ist", nicht eingegangen.

Auch hatte die Ukraine im November beim 20. Treffen der Vertragsstaaten des Übereinkommens des Landminenverbots erklärt, dass man nie in Erwägung gezogen habe, Anti-Personen-Minen-Bestände zur Verteidigung heranzuziehen. Nach erscheinen des Berichts reagierte das ukrainische Außenministerium. Dazu heißt es: "Human Rights Watch begrüßt die Zusage der Ukraine, den unten stehenden Bericht über Antipersonenminen gründlich zu analysieren, wie in einer Erklärung des Außenministeriums am 31. Januar angekündigt. Wir hoffen, dass die Regierung eine schnelle, gründliche und unparteiische Untersuchung unserer Ergebnisse durchführen wird."

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