Wahl in Kriegszeit möglich

Unangenehm für Selenski: Washington drängt auf baldige Wahlen

Politik
Bild: President Of Ukraine, CC0 1.0, Flickr

Der Richtungswechsel in den USA macht sich nicht nur in Europa und einem neuen Protektionismus mit möglichen Zöllen für EU-Güter, um die US-Wirtschaft zu schützen, bemerkbar. Auch das Klima gegenüber der Ukraine wird zunehmend härter. Ließ die Biden-Administration noch Ukraine-Machthaber Wolodymyr Selenski agieren, werden nun in Washington Forderungen nach Wahlen laut.

Amtszeit vorüber, lange ignoriert

Bisher hat man in der Ukaine keine Anstalten gemacht, Wahlen durchzuführen. Als Grund galt einmal Geldknappheit -  nur für die Zahlung von 5 Milliarden Euro wäre Selenski zur Abhaltung bereit gewesen - und natürlich der Zustand des Kriegsrechts, welches Wahlen verunmöglicht. Und Gesetzesänderungen, diesen Zustand zu ändern, davon ließen die Machthaber in Kiew lieber die Finger, ebenso von einem Verfassungsgerichtsentscheid, ob nicht auch ein anderer Amtsträger vertretungsweise die Geschäfte des Präsidenten übernehmen könnte.

Der Westen ignorierte die Situation. Vielmehr suchte man propagandistische Wege, den Zustand zu beschönigen und jegliche Zweifel an der Legitimation Selenskis als Präsidenten als russische Propaganda abzutun - Der Status berichtete.

Gehör für Kritiker in Washington?

Dabei gab es immer wieder Kritiker, die Selenski und seiner Riege einen zunehmend autoritären Führungsstil vorwarfen und auch auf eine Abhaltung von Wahlen pochten. So etwa der ukrainische Ex-Innenminister Jurij Lutsenko, der Ende 2023 in Medien beklagte: "Laut der Verfassung ist der Präsident der Oberbefehlshaber der Armee und repräsentiert das Land nach außen. Die Regierungsgeschäfte führt der Premierminister und das Parlament macht die Gesetze. Beide sind aber entmachtet und Selenskyj entscheidet alleine. Die Demokratie der Ukraine leidet darunter."

Auch das Argument, dass man in Kriegszeiten keine Wahlen abhalten könnte, ließ er nicht gelten. Denn auch in Großbritannien habe es etwa während des Zweiten Weltkriegs "keine Abstriche bei der Demokratie" gegeben, so Lutsenko - Der Status berichtete. Nun scheint man in Washington ebenfalls Druck machen zu wollen. Zumindest äußerte sich Trumps Sondergesandter für die Ukraine und Russland, Keith Kellogg, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters in diese Richtung.

Wahlen müssen durchgeführt werden

Kellogg zufolge müssten die bisher ausgesetzen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Ukraine baldigst durchgeführt werden. Und auch das Kriegsargument ließ der Sondergesandte nicht wirklich gelten. "Die meisten demokratischen Nationen führen in Kriegszeiten Wahlen durch. Ich denke, es ist wichtig, dass sie das tun. Ich denke, das ist gut für die Demokratie. Das ist das Schöne an einer soliden Demokratie: Es gibt mehr als eine Person, die kandidieren könnte" so Kellogg.

So könnten etwa Wahlen eine Teilbedingung für einen Waffenstillstand mit Russland sein, so Quellen gegenüber Reuters. In der Trump-Administration werde zudem überlegt, ob man die Ukraine zunächst zu einem Waffenstillstand drängen solle, bevor eine dauerhaftere Vereinbarung ausgehandelt wird. Sollten dann in der Ukraine Präsidentschaftswahlen stattfinden, könnte der Gewinner für die Aushandlung eines längerfristigen Paktes mit Moskau verantwortlich sein.

Wahlen als Schwächung

Zwar hat die neue US-Regierung die Ukraine noch nicht förmlich dazu aufgefordert, bis Jahresende Wahlen abzuhalten, aber eine Wahl im Zuge eines Waffenstillstands könnte für Selenski mit seinen fallenden Umfragewerten zum Problem werden. Daher erklärte Selenski, dass die Ukraine noch in diesem Jahr Wahlen abhalten könnte, wenn die Kämpfe beendet und starke Sicherheitsgarantien gegeben werden, die Russland von einer Wiederaufnahme der Feindseligkeiten abhalten.

Wie Reuters weiter berichtet, hätten Kiewer Beamte sich gegenüber Washington bereits in den letzten Monaten gegen Wahlen ausgesprochen und Biden mitgeteilt, dass die Abhaltung von Wahlen die ukrainische Führung spalten und möglicherweise zu russischen Einflusskampagnen einladen würde, so ehemalige US-Beamte laut der Agentur.

Flucht oder Haft für Selenski?

Zudem wird die Befürchtung kolportiert, dass die Aufhebung des Kriegsrechts nicht nur zu politischer Instabilität führen, Selenskis Macht und seinen Einfluss schwächen und das Gerangel zwischen potenziellen Herausforderern anheizen würde. Sondern auch, dass dann mobilisierte Soldaten in Scharen ihre Einheiten verlassen und Richtung Grenze flüchten. Mit der Forderungen nach Wahlen würde Washington also auf russische Narrative reagieren.

Und für Selenski dürfte noch mehr auf dem Spiel stehen. So analysierte zuletzt der ungarische Sicherheitsexperten György Nógrádi, dass es momentan nicht einfach für Selenski sei, mögliche Wahlen zu gewinnen: "Er spielt damit, wieder los zu rennen, sobald Ruhe ist. Aber seine Popularität liegt laut Umfragen derzeit bei 17 Prozent, was eine Katastrophe ist – er hat also keine Chance. Aber er weiß, dass er in der Auslieferung landen wird, wenn er in den Ruhestand geht, ins Gefängnis kommt oder irgendwohin flieht."

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