Risse in Sachsen-Brandmauer: CDU-Granden wollen mit AfD statt 'SED-Betonflügel' reden
Aufgrund der Brandmauer ist die CDU auf linke Parteien beschränkt, wenn es um die Regierungsbildung in Sachsen oder Thüringen geht. Doch in Sachsen regt sich nun Widerstand. In einem offenen Brief richten neun CDU-Politiker, darunter einstige langjährige Bundestagsabgeordnete, Staatsminister, Landtagspräsidenten und Bürgermeister der eigenen Partei aus, sich den "Betonflügel der SED" einzufangen, sollte man mit dem BSW regieren. Aber vor allem wird die Brandmauer scharf angegriffen.
Offener Brief zeigt Unzufriedenheit
Der offene Brief dürfte von einer tiefen Unzufriedenheit innerhalb der Union zeugen. Zu den Unterzeichnern gehören immerhin altgediente CDU-Granden wie Matthias Rößler, Präsident von drei sächsischen Landtagen, der ehemalige sächsische Justizminister Manfred Kolbe, der ehemalige Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtages Frank Kupfer, Dresdens langjähriger Oberbürgermeister Herbert Wagner und der ehemalige Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz, der über Jahre stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU war, der ehemalige Landrat Gerhard Gey und andere.
Der offene Brief, der mehreren Medien, darunter der Welt vorliegt, geht hart mit dem derzeitigen Kurs der Union in den östlichen Bundesländern ins Gericht. So spricht man sich offen gegen eine Koalition mit dem BSW in Sachsen aus und richtet dies den Parteifreunden nicht im privaten Gespräch, sondern öffentlich und medienwirksam aus - via offenem Brief. Ein Zeichen, dass es wohl um den Parteifrieden nicht allzu gut bestellt ist.
Nicht ohne Polemik
Dabei kommt man allerdings auch nicht ohne Polemik aus - die angesichts der Merzschen Anbiederei an die Grünen auch so wirkt, als wolle man Resten konservativerer Unionswähler noch etwas bieten. Von "Betonflügel der früheren SED" in Bezug aus das BSW, ist da zu lesen. Aber auch von der Gefahr den "Weg in den sogenannten 'Demokratischen Block', in dem die CDU mehr als 35 Jahre gefangen war", wieder einzuschlagen, sollte man mit dem BSW eine Koalition eingehen, wird gewarnt.
Inhaltsschwer und mit deftiger "Kalte Krieg-Sprache" heißt es sogar: "Aber diesmal freiwillig aus reinem Opportunismus und ohne den Druck von Sowjetpanzern, KGB-Kerkern und Genickschüssen". Und auch Stalin darf nicht fehlen. Völlig ungewohnte Worte von Mitgliedern der Merkel-Union, die zur Blockpartei degradiert noch jeden linken, "antifaschistischen" und "gegen Rechts"-Kotau mitgemacht hat.
Gegen die Brandmauer
Überraschenderweise deutlich werden die Polit-Dinosaurier der sächsischen Union, die bisher noch zu fast jedem Umfaller ihrer Partei den Mund gehalten haben und damit die politische Entwicklung zum Wohle ihrer Karriere innerhalb der Partei mitgetragen haben. Auch, wenn es um die Brandmauer gegen die AfD geht. Diese wird offen in Frage gestellt.
Wörtlich heißt es: "Während viele Linkspartei-Wähler zum BSW überliefen, wählte ein großer Teil unserer früheren Wähler die AfD. Mit einer vergleichenden Analyse, aus der hervorgeht, was die AfD so viel gefährlicher macht als das BSW, sodass sich ihr gegenüber eine Brandmauer der Ausgrenzung erforderlich macht, während andererseits Pilgerfahrten an den Hof von Frau Wagenknecht stattfinden, ist die CDU bisher nicht hervorgetreten. Eine Mauer gebaut und 17 Millionen Menschen darin fast dreißig Jahre lang eingesperrt hat die AfD jedenfalls nicht. Und mit Brandmauern wird man deren Wähler gewiss nicht zurückbringen."
Einige der Unterzeichner des offenen Briefs forderten schon kürzlich Gespräche mit der AfD:
Der Brief ehemaliger, aber nach wie vor respektierter CDU-Granden aus #Sachsen ist kurz, schnörkellos und eindeutig. Seine Argumente sind zwingend. Hoffen wir, dass er eine Diskussion erzwingt! https://t.co/qj2Atn2OUJ pic.twitter.com/7t4rnkKHPV
— Dr. Maximilian Krah MdEP (@KrahMax) October 9, 2024
Der Wähler-Wille soll zählen?
Und plötzlich bemüht man auch den Wählerwillen. Bei Merkels Grenzöffnungspolitik und Migrationsdesaster wurde noch keiner gefragt. Aber in dem Brief gibt man - endlich und lang hat es gebraucht - zu bedenken: "Wer Wählern, die sich seit Jahren von Wahl zu Wahl immer stärker gegen eine allgegenwärtige linke Bevormundung aufbäumen, als Konsequenz eine immer linkere Regierung präsentiert, der verhöhnt deren politischen Willen und untergräbt deren Vertrauen in die Demokratie."
Allerdings, so betonen die Unterzeichner, seien die Parteifreunde in "Ihren Entscheidungen frei. Wenn Sie die angestrebte Koalition mit dem BSW tatsächlich eingehen, sollen Sie jedoch Eines wissen: Sie tun es nicht in unserem Namen." Ob der Zuruf vom Altenteil allerdings wirklich zu den derzeit Sachsen agierenden CDU-Granden durchdringt, bleibt abzuwarten.
Kakao oder Rückgrat...
Immerhin geht es um Macht, Posten, Pfründe die verteilt werden wollen. Und den ersten Kniefall vor der neuen Herrin hat man immerhin auch schon praktiziert. So forderten die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Kretschmer (CDU) und Woidke (SPD) sowie Thüringens CDU-Chef Voigt gleich einmal entgegen der Linie ihrer Bundesparteien Friedensverhandlungen in Sachen Ukraine-Konflikt, um das BSW gewogen zu machen. Bislang war das nämlich die rote Linie in der transatlantischen CDU...
Mehr Opportunismus geht kaum. Aber für den Machterhalt lässt man sich offenbar gern vorführen und beweist, dass man so gar kein Rückgrat hat. Wie schrieb schon der in Dresden geborene Schriftsteller Erich Kästner um 1930: "Was immer auch geschieht, nie sollt ihr so tief sinken,von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!" Bei den Altparteien geht es immer noch tiefer, um an den Trögen zu bleiben. Auch das sollte man bedenken, wenn sie in diesem Futtertrog dann doch einmal ein Korn finden.
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