Rentenreform und soziale Missstände

Proteste in Frankreich: Stromabschaltungen für Politiker und Eliten

Politik
Demo: G.Garitan, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons; Elektriker: Freepik; Komposition: Der Status

In Wien startet man eine Smart-Meter-Offensive, um den Rückstand bei der Umstellung auf die "intelligenten Stromzähler" aufzuholen. Dass diese nicht unumstritten sind und nur ein weiterer Schritt zum gläsernen Bürger, wird tunlichst verschwiegen. In Frankreich hingegen wird auch die Energie immer mehr zum Streitpunkt. Bei den Protesten gegen die Rentenform drohen Gewerkschaften, den Abgeordneten und Milliardären damit, die Energie zu kappen.

Die Pläne einer Rentenreform und die Anhebung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre bringen in Frankreich Millionen Bürger auf die Straße. Allein am vergangenen Samstag haben mehr als eine Million Menschen - nach Angaben der Gewerkschaft CGT sogar 2,5 Millionen - gegen die Reform demonstriert. In mehr als 240 Orten hatten die Gewerkschaftsverbände zu Protesten aufgerufen und selbst in kleinen Orten, wo sonst nie demonstriert wird, gingen hunderte auf die Straße. Für den 7. März ist inzwischen eine Ausweitung der Proteste angekündigt.

Keine Energie für die Eliten

Dabei beschränken sich die Demonstrationen aber bei weitem nicht mehr nur auf die Rentenreform. Auch die massiven Teuerungen werden immer mehr zum Mittelpunkt des Geschehens und wandeln den Arbeitskampf immer mehr zum sozialen Massenprotest. Bereits Mitte Jänner drohte Frankreichs zweitgrößte Gewerkschaft CGT, damit, dass man im Zuge des Kampfes um die Rentenreform den Strom für die Gesetzgebung und für Milliardäre kappen würde.

"Ich schlage vor, dass sie sich auch die schönen Anwesen, die schönen Schlösser der Milliardäre ansehen", sagte Philippe Martinez, Vorsitzender der CGT damals gegenüber France 2 und erklärt: "Es wäre gut, wenn wir ihnen den Strom abstellen würden, damit sie sich für ein paar Tage in die Lage von Franzosen versetzen können, die ihre Rechnung nicht bezahlen können". Regierungssprecher Olivier Veran empfand, diese Drohungen mit Stromabschaltungen seien "inakzeptabel".

Wenn der starke Arm es will

Der Testlauf für diese Teilhabe der Reichen an den Problemen der normalen Bürger, die ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können und die mit steigenden Lebensmittelpreisen zu kämpfen haben, fand indes statt. Kurz darauf bei Protesten Ende Jänner unterbrachen Arbeiter für mehrere Stunden den Strom im Büro eines Abgeordneten von Macrons Partei und deaktivierten Blitzer.

Zeitgleich hatten die Mitglieder von CGT, die in wichtigen Energiesektoren wie Ölraffinerien und Stromnetzen aktiv ist, auf Arbeiterversammlungen in Paris, Marseille, Lille und anderen Städten einstimmig beschlossen, dass sie einkommensschwachen Haushalten, Krankenhäusern, Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden und Diensten kostenlose Energie zur Verfügung zu stellen. Dazu manipulierten sie Strom- und Gaszähler, um die Rechnungen für die Betroffenen zu senken.

Proteste mit "Robin-Hood"-Ansatz

Obwohl Frankreich im Vergleich zu Österreich nur 7 Prozent statt 11,1 Prozent Inflation hat und auch die Energiepreise durch Preisdeckel im Verhältnis geringer anstiegen, wollten sie durch diese Aktion zeigen, dass die Arbeitnehmer die Welt und die Wirtschaft zum Laufen bringen - nicht die Kapitalisten. Ein CGT-Mitglied drückte es wie folgt aus: "Der Sinn der heutigen Proteste ist es, zu zeigen, dass sich das Kräfteverhältnis verschiebt und dass wir, wenn wir wollten, das Land lahmlegen könnten."

Dabei waren es auch nicht die ersten Aktionen solcher Art. Bereits Ende 2020 schlossen Mitarbeiter von CGT Häuser in armen Vororten von Paris wieder an das Stromnetz an und im Jänner 2021 unterbrachen sie die Stromversorgung für den Hauptsitz der Gewerkschaft CFDT, weil diese sich weigerte an einem Streik teilzunehmen und mit Macron über die Rentenreform verhandelte. Aber Frankreichs Gewerkschaften waren schon immer für ihre radikaleren Ansätze bekannt.

Smart-Meter in Wien

In Österreich und Wien geht stattdessen der Einbau von Smart-Metern ungebremst weiter. Denn bis Ende 2024 sollen 95 Prozent der Haushalte mit den digitalen Stromzählern ausgestattet sein. Und inzwischen ist auch klar, den neuen Zähler in der Bundeshauptstadt verweigern geht nicht. Denn die Politik hat für die nötige rechtliche Rückendeckung für die Stromversorger gesorgt - fünf Kunden in Wien hatten gegen die Umrüstung geklagt und verloren. In einem Inseratenkaiser-Blatt wird der Einbau der "intelligenten Stromzähler" als Fortschritt gefeiert. Hätten doch damit Kunden in Zeiten der Teuerungen die Möglichkeit, ihren Stromverbrauch zeitnah zu kontrollieren.

Dass dies allerdings nicht nur die Verbraucher können, sondern auch die Stromanbieter oder in weiterer Folge vielleicht CO2-Kontrolleure, die bei zu hohem Verbrauch, Erschöpfung des CO2-Kontigents oder bei missliebigen Verhalten im Sinne eines Sozialkredit-Systems dann sprichwörtlich den Stecker ziehen, sind Zukunftsaussichten, die alles andere als rosig wirken. Verkauft wird dies derzeit allerdings noch als Unterstützung und Service für den Verbaucher - bis es zum Kontrollinstrument wird...

Auch in Deutschland wird die Werbetrommel für die umstrittenen "Smart Meter" bereits gerührt - im Zusammenspiel aus Wirtschaft und Mainstream-Medien: 

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