Ohne eigene Mehrheit: Das Dilemma der 'Brombeer-Koalition' in Thüringen
In Thüringen haben nun die CDU, das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) und die SPD eine Regierungskoalition vereinbart. Für die drei Parteien wird es ein Tanz auf Messers Schneide, denn inhaltlich schweißt sie wenig zusammen. Aber man konnte die Linkspartei von der ausführenden Macht entfernen und die AfD als Wahlsieger auskontern. Nun ist man aber auf eine der beiden Fraktion angewiesen, um irgendwelche Gesetzesvorlagen durchzubringen, womit man sich eine eigene argumentative Falle gestellt haben könnte.
Gastartikel von DDr. Heinz-Dietmar Schimanko
Interessante Ausgangslage nach Wahl
"Die drei Parteien müssen unter schwierigen Bedingungen regieren. Sie haben im Thüringer Landtag 44 von 88 Sitzen und müssen somit immer auch mindestens eine Stimme in der Opposition überzeugen. Das wären für die nach den Parteifarben benannte Brombeer-Koalition die Linke oder die AfD", wird in der Frankfurter Rundschau berichtet . Zur Erinnerung ist festzuhalten, daß der Thüringer Landtag sich nach der Landtagswahl vom 1. September am 28. September 2024 konstituiert hat.
Die Landtagswahl hatte die folgende Zusammensetzung des Landtags ergeben: AfD 32 Abgeordnete, CDU 23, BSW 15, Die Linke 12 und SPD 6. Die AfD wurde bei dieser Wahl in Thüringen erstmals stimmenstärkste Partei.
"Schwierige Bedingungen" hausgemacht
Die "schwierigen Bedingungen" ergeben sich nur daraus, dass das BSW und die drei Wahlverlierer (CDU, SPD, Linke) gegen den Wählerwillen agieren. Mit ihrer "Brandmauer" gegen die AfD könnten sie sich nun selbst eine Falle gestellt haben. Denn in ihrer Anti-AfD-Hysterie machen sie selbst ein Problem daraus, daß sie etwas nur deshalb bewirken, weil auch die AfD dafür stimmt (vgl. zu dieser Hysterie Boris Reitschuster am 26. September oder Eric Gujer in der NZZ vom 6. September).
So lehnten sie es im Jahr 2020 auch ab, dass der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt wurde, sodass Kemmerich nach nur drei Tagen zurücktrat (cf. "Deutsche Welle"-Artikel vom 5. bzw. vom 8. Februar 2020). Er blieb bis zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten am 4. März 2024 geschäftsführend im Amt. Seine Amtszeit von nur 27 Tagen ist die kürzeste eines deutschen Ministerpräsidenten. Ein demokratiepolitisches Desaster.
Argumentation von einst als Bumerang?
Demnach müssen die Parteien der Brombeer-Koalition nun fürchten, daß bei einer ihrer Gesetzesinitiativen oder sonstigen Anträge (z.B. Entschließungsanträge) die Abgeordneten der Linken bei der Beschlußfassung dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten, und eine Mehrheit für eine Gesetzesinitiative oder einen sonstigen Antrag nur mit Stimmen der AfD zustande kommt. Was in einer funktionierenden Demokratie selbstverständlich ist, kann hier große Nervosität auslösen.
Namentliche Abstimmung als wichtiges Werkzeug
Als logische Konsequenz daraus ist es angebracht, wenn die AfD-Fraktion im Landtag Thüringens nach Möglichkeit namentliche Abstimmungen beantragt. Damit ist dann klar ersichtlich, ob eine Beschlußmehrheit nur mit Stimmen der AfD möglich wurde.
Die FPÖ-Fraktion im Bundesrat hat es vorgemacht. Die Abstimmung im Bundesrat über die im Nationalrat von der ÖVP - nach deren Angaben angeblich versehentlich – mitbeschlossene Novelle des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes, womit entgegen den biologischen Tatsachen mehrere Geschlechter als Mann und Frau anerkannt werden, erfolgte auf Antrag der FPÖ namentlich.
So wurde aufgezeigt, daß die ÖVP entgegen ihrer Ankündigung, diese Novelle ehestens zu korrigieren, auch im Bundesrat für die Novelle gestimmt hat, wie die der Pressedienst der Parlamentsdirektion darlegte. Diese Novelle erscheint übrigens bei richtiger Handhabung als klarer Fall für eine Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung des aus dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatz resultierenden Sachlichkeitsgebots.
Demokratie mit Trick neuerlich aushebeln?
Nach § 44 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags kann bei Abstimmungen in der Sache immer bis spätestens zur Eröffnung der Abstimmung eine namentliche Abstimmung verlangt werden. Sie muss stattfinden, wenn sie von einer Fraktion oder zehn anwesenden Abgeordneten verlangt wird (auf Basis des Thüringer Geschäftsordnungsgesetzes vom 19. Juli 1994 beschlossene Geschäftsordnung des Thüringer Landtags in der Fassung der Beschlüsse des Landtags vom 15. Mai und 28. September 2024).
Mal sehen, ob die Parteien der Brombeer-Koalition mit der Partei "Die Linke" wie Blockparteien in der früheren DDR als Einheitsliste gegen die AfD agieren, um die Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, dass das Recht auf namentliche Abstimmungen eingeschränkt wird. Es ist ihnen zuzutrauen. Denn sie haben bereits einmal die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags zum Nachteil der AfD geändert. Nach der bis 27. September 2024 geltenden Fassung hatte die stärkste Landtagsfraktion das Recht, die Landtagspräsidentin oder den Landtagspräsidenten zu stellen.
Beim zweiten Termin der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags am 28. September 2024 haben die nunmehrige Brombeer-Koalition und Die Linke dieses Recht beseitigt und jemanden von der CDU zum Landtagspräsidenten gewählt. Was seit der Neubildung des Freistaats Thüringen im Jahr 1990 also immer gegolten hatte, als andere Parteien als die AfD die stärkste Fraktion im Landtag Thüringens waren, gilt jetzt nicht mehr. Ein undemokratischer Ansatz.
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