Mit Vollgas in den Krieg: Vertragswidriger NATO-Stützpunkt in Rostock
Schlafwandler waren es nach dem australischen Historiker Christopher Clark, die es nicht vermochten, den Ersten Weltkrieg in Europa zu verhindern und dazu beitrugen, dass die Juli-Krise 1914 eskalierte. Dass so etwas wieder passieren könnte, steht außer Frage. Und man befindet sich auf dem besten Weg dahin. Stationierung von Raketen in Deutschland und nun auch die Eröffnung eines NATO-Hauptquartieres in Rostock. Eigentlich ein Bruch von Verträgen.
Während man es vor über 100 Jahren mit Politikern zu tun hatte, die zwar gewissen Realitätssinn besaßen und auch oft eine umfassende Ausbildung, schafften sie es dennoch, mit schlafwandlerischer Sicherheit eine Krise derart zu eskalieren - abgesehen von komplizierten Bündnissystemen & fragilem Machtgleichgewicht - dass der darauffolgende Konflikt in Europa keinen Stein auf dem anderen ließ und das Angesicht des Kontinents maßgeblich veränderte. Neben Millionen von Toten, Vermissten & Verwundeten, verschwanden alte Staaten, neue entstanden. Grenzziehungen & Politik legten nach dem "Krieg um alle Kriege zu beenden", bereits die Wurzeln für noch schlimmere Eskalationen.
Traumtänzer statt Schlafwandler
Gerade die Verkettung von Umständen und das Handeln der damaligen Akteure, welches zum Ersten Weltkrieg führte, könnte, so das Resümee von Christopher Clark in seinem Buch "Die Schlafwandler – Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog", auch heutzutage in Krisen zu ähnlichen fatalen Eskalationen führen. Dies umso mehr, da man es heute offenbar weniger mit Schlafwandlern, sondern vielmehr mit Traumtänzern zu tun hat, die bar jeglichen Realitätssinnes agieren.
Gerade im Zuge der Ukraine-Krise wird zunehmend - unter Maßgabe moralischer und ideologiegetriebener Gesichtspunkte - an der Eskalationsschraube gedreht. Schuld sei allein Moskau und nicht die seit Jahren betriebene NATO-Osterweiterung, die ihren krönenden Abschluss mit dem Beitritt der Ukraine finden und Russland so endgültig einkreisen sollte.
Wie im Gegenzug die USA reagieren würden, sollten China, Russland oder Nordkorea Truppenstationierungen in deren Vorgarten, etwa in Kuba oder Mexiko erwägen, dazu braucht es nicht viel Fantasie. Schon die Ankündigung Chinas, einen Militärstützpunkt auf den Salomonen zu errichten, führte Anfang 2023 zu Drohgebährden aus Washington. Sah man doch die "eigene Einflußsphäre" im Pazifik bedroht - wobei die Inselgruppe 9.574 km von San Francisco und der amerikanischen Westküste entfernt liegt, zum chinesischen Taizhou und dem chinesischen Festland sind es "nur" 5.948 km.
Bruch des Zwei-plus-vier-Vertrages
Nun, nach der Ankündigung Raketen in Deutschland zu stationieren, folgt der nächste Schritt. Obwohl in Artikel 3 Absatz 3 des Zwei-plus-vier-Vertrags, der als faktischer Friedensvertrag nach dem Zweiten Weltkrieg dient, heißt, dass auf dem Gebiet der ehemaligen DDR keine ausländischen Truppen, Waffen etc. stationiert werden oder dorthin verlegt werden dürfen, nimmt man es im Zuge des Säbelrasselns gegenüber Russland damit nicht mehr so genau.
Zumindest titelt die Ostseezeitung dieser Tage: "Aus Angst vor Russland: Nato eröffnet neues Hauptquartier in Rostock". Darin heißt es, dass neben dem Hauptquartier der Deutschen Marine in Rostock nun auch ein NATO-Hauptquartier hinzukommen soll. "Die sogenannte Command Task Force Baltic (CTF Baltic) ist eine Reaktion des Bündnisses auf den russischen Überfall auf die Ukraine und das zunehmend aggressive Verhalten Russlands gegenüber den Nato-Staaten an der Ostsee", schreibt das Blatt.
Und es ergänzt, dass von dem Zentrum künftig alle NATO-Manöver und -Einsätze auf der Ostsee gesteuert werden sollen. "Dafür werden Soldaten aus allen Anrainerstaaten an die Warnow versetzt" - ein offener Bruch des Zwei-plus-vier-Vertrages. In einem nachfolgenden Kommentar wird dies, in der üblichen Weise verteidigt: "Neues Nato-Hauptquartier in Rostock: Putin versteht nur eine Sprache"
Was ist mit dem Einigungsvertrag?
Auf den "Nachdenkseiten", wo Journalist Florian Warweg zuerst über die Vertragsbrüche berichtete, sieht man nicht nur den Zwei-plus-Vier-Vertrag verletzt, sondern auch den deutschen Einigungsvertrag, der ebenfalls eine Stationierung fremder Truppen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in dem Teil des Landes Berlin explizit ausschloss. Zudem dürfte die NATO gar ein Logistik-Zentrum im Mecklenburg-Vorpommerschen Rostock planen, wofür abermals zahlreiche Soldaten vertragswidrig stationiert werden würden.
Um die Einhaltung der Verträge durchzusetzen und die NATO-Expansion zu verhindern, sieht man als eine Möglichkeit "die Durchführung eines Volksbegehrens, welches die Landesregierung in Schwerin dazu beauftragt, via Gesetz für die Einhaltung des Zwei-plus-Vier- und des Einigungsvertrages zu sorgen." Allerdings zeigte sich schon in der Vergangenheit, dass die Politik die Meinung des Souveräns zunehmend immer weiter ignoriert. Auch die Waffenlieferungen nach Kiew stießen in Umfragen auf deutliche Ablehnung - und fanden doch statt. Deutschland ist nach den USA jenes Land mit den meisten direkt für die Aufrüstung bestimmten Ukraine-Milliarden.
Logik ist die Stärke nicht
Begründet werden diese Schritte natürlich mit einer möglichen Aggression Russlands. Dieses würde, so der Tenor, nur darauf warten sämtliche Anrainer-Staaten - die ja nun in der NATO sind - anzugreifen und sich einzuverleiben. Über die Frage, ob 1990 Russland nicht zugesichert wurde, die NATO nicht auf ehemalige Warschauer-Pakt-Staaten zu erweitern, wird heftig diskutiert. Vor allem auch in Deutschland wird immer wieder Stimmung gemacht, als würde der Iwan sprichwörtlich vor der Tür stehen und nur darauf warten, bis zum Rhein, oder darüber hinaus, vorzustoßen.
Dabei stellt sich eigentlich die Frage, wieso sich ein Riesenstaat wie Russland ein rohstoffarmes, zunehmend dysfunktioneles, infrastrukturmarodes, deindustrialisiertes und von migrantischen Sozialhilfeempfängern und illegalen Einwanderern überschwemmtes und mit deren Konflikten belastetes Land an das Knie nageln sollte? Um mögliches Know-How abzugreifen, kommt Spionage deutlich günstiger, als Kosten für Besatzungs- und Ordnungstruppen, die Lieferung von billigem Öl und Gas, um das Land und die Restindustrie am Laufen zu halten und Kälteaufstände zu vermeiden.
"Lass mich in Deinen Suppentopf gucken und ich sage Dir, wer Du bist!“, weiß schon ein russisches Sprichwort. Und die dünne Brühe, so dürfte jeder klardenkende Mensch im Kreml zu dem Schluss kommen, sollen die mal allein auslöffeln. Aber Logik ist die Stärke der Traumtänzer nicht. Was derzeit fehlt ist eine starke Friedensbewegung, wie in den 1980er Jahren gegen den NATO-Doppelbeschluss. Aber da haben die Spalter ganze Arbeit geleistet.
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