'Loser-Koalition' wackelt: Scheitert sie an Eitelkeiten oder an NEOS-Basis?

Knapp 12 Wochen nach der Wahl sondieren ÖVP, SPÖ & NEOS nach Wahrnehmung der Öffentlichkeit noch immer ins Leere. Wirklich eilig scheint man es bei der Finalisierung des Pakets nicht zu haben, sondern will sich damit Zeit bis ins neue Jahr lassen. Doch hat man sich am Ende auf den geringsten gemeinsamen Nenner geeinight, lauert noch ein letzter Fallstrick für den Pakt. Denn die NEOS müssen laut eigenen Statuten mit 2/3-Mehrheit in ihrer Mitglieder-Versammlung ihren Sanktus zum Koalitionspapier geben. Und es kommt noch dicker: Denn anscheinend stehen die Verhandlungen mittlerweile auf der Kippe.
Was lange dauert, wird nicht besser...
Als Alexander Van der Bellen beim Regierungsbildungsauftrag die FPÖ als Wahlsiegerin überging, begründete der grüne Bundespräsident es auch mit dem Tempo. Es gelte, "so rasch wie machbar eine Bundesregierung zustande zu bringen". Das Argument für den Bruch mit den Usancen war somit auch, dass man die Zeit nicht verschwenden möge, wenn der Rest ohnehin nicht mit Kickl zusammenarbeiten wolle. Also beauftragte er stattdessen den krachenden ÖVP-Wahlverlierer Nehammer.
Das war am 22. Oktober, mittlerweile ist Weihnachten weniger als eine Woche entfernt. Mit 81 Tagen nach der Wahl dauern die aktuellen Regierungsverhandlungen schon überlang. Der Schnitt in der 2. Republik liegt nämlich bei 68 Tagen. Und bis zum Bruch des Rekords aus dem Jahr 1962, als ÖVP & SPÖ rekordverdächtige 129 Tage brauchten, ist's auch nur mehr etwas über einen Monat hin. Dass die Gespräche stocken und sich an Prinzipienfragen spießen, ist ein offenes Geheimnis.
"Austro-Ampel" wackelt bereits
So wollten sich die Parteien am heutigen Donnerstag nicht darauf festlegen, ob man nach der nächsten Runde am Freitag der Öffentlichkeit einen Zwischenstand bekannt gibt, wie auch der ORF zugeben musste. Weiter scheint man sich zu den Themen Budget, Steuern, Staatsausgaben und Wirtschaft zu streiten. Bei der Frage nach der Einführung neuer Steuern - NEOS & ÖVP schlossen dies vor der Wahl noch aus, die SPÖ versprach hohe Erbschafts- & Vermögenssteuern - drohte Nehammer zeitweise gar Babler mit dem Abbruch der Verhandlungen. Ehe er zurückruderte und sein Veto gegen Steuer-Erhöhungen zurücknahm... - Der Status berichtete.
Dass es bei diesem Streitthema einen faulen Kompromiss brauchen wird, scheint indes so klar wie das Amen im Gebet. Das dürfte auch den Verhandlern allmählich auffallen, in der fraglichen Untergruppe wird an praktisch allen wichtigen Punkten kaum noch verhandelt. Und der "Standard" berichtete am Donnerstagnachmittag gar, dass die Gespräche "auf der Kippe" stehen. In allen drei Parteien bestehe die Befürchtung eines Scheiterns, noch in dieser Woche finden entscheidende Gespräche statt. Nichtsdestotrotz beschwichtigt man: Es gebe auch Verhandler, die optimistisch seien, dass das Austro-Ampel "zwar noch ein hartes Stück Arbeit, aber weiterhin realistisch" sei.
Springen NEOS oder ihre Basis ab?
Der allergrößte Unsicherheitsfaktor scheint diesmal aber nicht einmal der alte Proporzparteien-Zwist. Denn das Projekt steht und fällt mit dem Wohlwollen der NEOS. Und die müssen ihre eigene Basis zuerst einmal überzeugen. Denn wie die "Krone" berichtet, verlangen die pinken Statuen nämlich, dass ihre Mitglieder den Koalitionspakt mit einer 2/3-Mehrheit absegnen müssten. Das heißt: Man muss der eigenen Basis weismachen, dass man sich nicht zu billig hergegeben hat und nicht zu viele NEOS-Standpunkte geopfert hat.
Entsprechend gingen die NEOS zuletzt in die Offensive. Sie fordern laut "Standard" seit Tagen große Reformen und einen Fahrplan zum Milliarden-Sparpaket infolge des Budgetlochs. Das lachsrosa Blatt gar einen Absprung der NEOS in den Raum. Freilich: Für eine Regierungsmehrheit werden sie nicht gebraucht, allerdings hätte Rot-Schwarz nur ein Mandat Überhang. Eine Pinkelpause zur Unzeit und ein Misstrauensantrag könnte sie bereits ins Jammertal stoßen.
Nehammer könnte sich verpokert haben
Für Nehammer sind es entscheidende Tage. Wie Der Status bereits vor Wochen berichtete, hängt sein Verbleib an der Parteispitze vom Zustandekommen des Ampel-Experiments ab. Eine Stimmungslage, die der "Standard" nun bestätigt. Gerade schwarze Wirtschaftsvertreter halten wenig von der Dreier-Koalition und würden lieber mit der FPÖ koalieren. Nehammer wiederum sperrt sich gegen Kickl, begründete dies u.a. mit dessen Kritik an WHO, WEF, Skyshield, Messenger-Überwachung und dem Corona-Diktat.
Doch ist die FPÖ dafür noch zu haben? Seit der Wahl vergrößerte sie ihren Vorsprung in Umfragen, stünde aktuell bei 36%, während ÖVP & SPÖ bei etwa 20% herumkrebsen. Kommt es zu Neuwahlen, dann könnte die Verhandlungssituation ganz anders aussehen und beide Parteien müssten umso billiger um die Gunst des wahrscheinlichen neuerlichen Wahlsiegers betteln. Kommt hingegen doch die "Loser-Koalition", ist ihr wiederum der Gegenwind von fünf Landesregierungen mit blauer Beteiligung gewiss...
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