Kein Kritiker ist sicher: Die irren Hintertüren der Messenger-Überwachung

Die Abwehr terroristischer Straftaten ist nur ein Vorwand, um Dissidenten überwachen zu können: Wovor kritische Stimmen längst warnten, macht der Gesetzestext zur Novelle des "Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetzes" deutlich. Denn während Leute, die mit Terrorangriffen "nur" drohen, gar nicht umfasst sind, könnte man bestimmte Gesetze zwecksentfremden, um zumindest abertausende Österreicher potenziell zu überwachen. Dass der ÖVP-Innenminister bereits von der Ausweitung träumt, kommt dazu.
FPÖ warnt vor Massen-Überwachung
"Neun Millionen Menschen in Österreich und ihre höchst privaten Daten werden so zu potenziellen Überwachungsopfern gemacht", warnte FPÖ-Verfassungssprecher Michael Schilchegger. Was zunächst wie plakative Oppositionsrhetorik klingt, erweist sich allerdings als berechtigte Sorge. Denn technisch möglich ist die Messenger-Überwachung nur durch Überwachung des gesamten Mobiltelefons, wodurch spätestens über mehrere Ecken jeder Österreicher mit einem potenziellen "Gefährder" als kontaktschuldig begriffen werden könnte. Problematisch sei auch der Etikettenschwindel, mit dem man dem Volk die Sache zu verkaufen sucht.
Denn während das Wort "islamistisch" im Gesetzestext gar nicht vorkommt, nutze man den schwammigen Begriff "verfassungsgefährdend", so FPÖ-Sicherheitssprecher Gernot Darmann. Hierzu erinnerte erneut Schilchegger: "Man erinnere sich nur an die Corona-Zeit und wie damals Kritiker der Regierungsmaßnahmen diffamiert wurden – sogar von der Regierungsbank, etwa als ‚Staatsverweigerer‘ oder ‚Demokratiefeinde‘. Nicht auf Islamisten, sondern auf Bürger, die die vollkommen fehlgeleitete Politik dieser schlechtesten und teuersten Regierung aller Zeiten nicht widerspruchslos hinnehmen wollen, zielt dieser schwarz-rot-pinke Bespitzelungsangriff ab."
Terroristen fallen teils durch den Rost
Die konkrete Teufelei lässt sich indes ausgerechnet am Dementi von SPÖ-Staatssekretär Jörg Leichtfried ablesen, dass die Überwachung ja angeblich erst ab einer Strafandrohung von 10 Jahren greife - und zwar in mehrere Richtungen. Zum einen stimmt das nicht: Denn die mit maximal 2 Jahren Haft bedrohte Spionage "zum Nachteil Österreichs" ist ebenfalls umfasst. Dieses Rechtsgut wollten die NEOS einst auf sämtliche Spionage ausweiten, also auch gegen die UN oder fremde Staaten. Begründet wurde dies mit einer angeblichen derartigen Bedrohung aus Russland, China, der Türkei und dem Iran. Und unterstellt ist eine solche bekanntlich schnell. Ein Schelm...
Doch es kommt noch dicker: Denn der Gesetzestext ist gegen potenzielle zukünftige Terroristen völlig wirkungslos. Während die Begehung terroristischer Straftaten sehr wohl darunter fällt, ist deren reine Androhung maximal mit 5 Jahren Haft bedroht. Demgegenüber wäre es möglich, mit absurden Konstruktionen kritische Bürger zu überwachen. Denn als "verfassungsgefährdender Angriff" gilt etwa bereits überspitzte Migrationskritik (sofern sie als "Verhetzung" angezeigt wird), der gesamte 14. & 15. StGB-Abschnitt (darunter auch die "Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole") und "nach dem Verbotsgesetz strafbaren Handlungen".
Verbotsgesetz-Anzeigen als Sprungbrett?
Letzterer Aspekt ist hier besonders pikant: Denn die "Verharmlosung" von NS-Verbrechen ist mit 10 Jahren Haft bedroht und somit überwachungsfähig. Und in den letzten Jahren legte man dies äußerst breit aus. Ein kritischer Arzt wurde deshalb verurteilt, weil er australische Corona-Lager mit Konzentrationslagern verglich. Eine Jüdin (!) wurde in Villach nach einer Demo-Rede verhaftet, weil sie die damaligen Einschränkungen mit dem historischen Leid ihrer Vorfahren gleichsetzte. Und einer unserer Gastautoren musste eine absurde Razzia über sich ergehen lassen, weil er totalitären Linken in sozialen Medien unterstellte, eine faschistoide Geisteshaltung zu pflegen.
Und die Sache lässt sich noch weiter ziehen: Die Staatsschutz-Reform samt Errichtung von 160 Planstellen u.a. gegen "Hass im Netz" wurde mit "Judensternen mit der Aufschrift 'Ungeimpft'" bei Demos begründet - kein Witz. Für einen Überwachungsantrag reicht ja bereits ein "befürchteter verfassungsgefährdender Angriff". Mit etwas Akrobatik ließe sich dann also behaupten: Wer an einer regierungskritischen Demo teilnimmt, könnte ja "Ungeimpft"-Sterne tragen und sei somit zu überwachen. DSN-Chef Haijawi-Pirchner bezeichnete die Corona-Demos einst ohnehin als "größte Bedrohung in der Republik" und versuchte, Wortführer des Widerstands per "Gefährderansprache" einzuschüchtern.
Bürger als "rechtsextrem" gebrandmarkt
Der möglichen Hirnakrobatik, um nach dem geplanten Gesetzestext eine Überwachung zu rechtfertigen, sind keine Grenzen gesetzt. Das von den Systemparteien umgarnte DÖW, das laut Gerichtsurteilen als "kommunistische Tarnorganisation", als "Privat-Stasi" und als "pseudowissenschaftlich" bezeichnet werden durfte, deutete sinngemäß an, dass man "ausgeprägte rechtsextreme Einstellungen" bei bis zu über 700.000 Österreichern wittert. Im kurz darauf publizierten "Rechtsextremismus-Bericht" stellte die Einrichtung auf abenteuerliche Weise scharfe Elitenkritik als "antisemitisch" dar und unterstellte gar katholischen Interessensgruppen im ÖVP-Umfeld (!), angeblich "rechtsextrem" zu sein.
Im gut 200 Seiten starken Pamphlet unterstellt man sinngemäß jedem nicht-linken Akteur, spätestens über zwei Ecken einen Berührungspunkt zu "Nazis" zu haben, sich nur aus taktischen Gründen von der NS-Zeit abzugrenzen oder sonstige Dinge zu tun, welche die selbst unweit des linken Randes stehenden Experten für einen NS-Bezug halten. Irgendwann reicht dann wohl die Einladungen zu Begräbnissen betagter Burschenschafter für eine Überwachung. Bestünde ja immer die Gefahr, dass dort jemand mit 200 Jahren alten Liedern einen "verfassungsgefährdenden Angriff" tätigt. Bis zur Einstellung der Verfahren ist der Staat dann schon einmal im Handy und sucht "Beiwerk".
ÖVP wünscht sich ohnehin bereits Ausweitung
Dass man am Liebsten alle Kritiker überwachen würde, verhehlt gerade die ÖVP nicht sonderlich geschickt. Erst vor wenigen Tagen preschte Innenminister Gerhard Karner mit einer möglichen Ausweitung auf das gesamte Strafrecht vor. Und DSN-Chef Haijawi-Pirchner, der politisch als pechschwarz gilt, beklagte schon vor über zwei Jahren im Zuge seines Vorstoßes pro Messenger-Überwachung, dass etwa auf Telegram "während der Pandemie viele radikale Botschaften verbreitet" worden wären.
Das Narrativ, das man ein teures Software-Programm für ein paar Dutzend potenzielle Islamisten anschaffen will, klingt allein schon deshalb wenig glaubwürdig. Die Sorge, dass die Überwachung per Salamitaktik über seinen bereits bedenklichen Rumpf ausgeweitet wird, ist schon eher begründet. Zur Erinnerung: Ein Staatsschutz-Mitarbeiter wollte überhaupt vermeintliche "Desinformation" - für das System oft ein Chiffre für jedwede kritische Meinung - unter Gefängnisstrafe stellen (Der Status berichtete).
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