Rechte Parteinahme fehl am Platz?

'Geisterfahrer' in Gaza-Frage: AfD-Politikerin kritisiert Persilschein für Israel

Politik
Dworeck-Danielowski: (C) Privat/via Freilich-Magazin (zVg); Gaza: Palestinian News & Information Agency (Wafa) in contract with APAimages, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0; Komposition: Der Status.

Der Nahost-Konflikt erhitzt die Gemüter - und führte sowohl in der Linken als auch der Rechten zu teils unversöhnlichen Positionen. Erst in den letzten Wochen scheint auf breiterer Front ein Umdenken stattzufinden, inzwischen kritisieren auch traditionell pro-israelisch ausgerichtete Kräfte das überschießende Vorgehen der Netanjahu-Regierung in Gaza. Doch ausgerechnet in Teilen der Rechten, die - auch aus Eigeninteresse - für Frieden in der Region & das identitäre Recht auf Heimat für beide Seiten sein müsste, hat diese nun scheinbar ihre letzten großen Verteidiger. In dieser Frage übt nun eine AfD-Lokalpolitikerin herbe Kritik an derartigen Haltungen auch innerhalb der eigenen Partei.

Droht Gaza-Entvölkerung nach Europa?

Das offizielle Israel macht schon länger keinen Hehl daraus, worauf der Gaza-Krieg hinausläuft: Maximale Bestrafung auch der Zivilbevölkerung unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die Hamas. Manch Knesset-Abgeordnete träumte dabei gar vom Einsatz von Atomwaffen, es werden sogar christliche Kirchen und Spitäler aufgrund der Behauptung, dort könne sich ein Waffenlager befinden, bombardiert. Es gibt zehntausende Tote - darunter viele Kinder - und große Teile des Gazastreifens liegen in Schutt und Asche. Die Versorgungslage ist kritisch, zum wiederholten Male scheint Israel die Menschen dort durch Aushungerung brechen zu wollen.

Hinter der ganzen Sache lauert auch für europäische Länder eine Gefahr: Denn wie Der Status als erstes Medium bereits wenige Tage nach dem Beginn der Kampfeshandlungen im Herbst 2023 thematisierte, drohen neue Massen-Migrationswellen aus Gaza. Seit geraumer Zeit beteuern auch israelische Spitzenpolitiker, dass westliche Länder die Palästinenser aufnehmen sollen. Und wie befürchtet: Die deutsche Bundesregierung begann bereits mit der Evakuierung von Palästinensern aus dem Konfliktgebiet. Dabei werden dann allfällige Hamas-Sympathien wohl ebensowenig abgefragt, wie dies bei einer neuen Mega-Asylwelle der Fall wäre. Man holt sich das Pulverfass also ins eigene Land.

Paradoxe rechte Pro-Israel-Haltung

Vor diesem Hintergrund mutet die kritische Parteinahme ausgerechnet vieler Rechter für Israel paradox an. Denn eigentlich müsste es im Interesse der freien Völker Europas sein, sich dafür einzusetzen, dass Menschen generell in Würde und Frieden in ihrer Heimat leben zu können - anstatt, dass zusätzliches Fluchtpotenzial von Menschen aus dem arabischen Raum nach Europa ensteht. Während sich also etwa Viktor Orbán infolge seiner konsequenten Grenzpolitik in Ungarn eine vehemente Pro-Israel-Position gewissermaßen "leisten kann", mutet sie bei Patrioten aus Ländern mit einer hohen Zuwanderungsrate aus dem islamischen Raum geradezu suizidal an.

Und am Wählerwillen vorbei: Die AfD-Wähler sind am seltesten für deutsche Waffenlieferungen nach Israel - 12% an Befürwortern steht 77% an Kritikern entgegen. Diese Position teilt zwar auch die AfD-Bundestagsfraktion, dennoch sorgten einige Vertreter zuletzt für Stirnrunzeln. So bezeichnete ihr außenpolitischer Markus Frohnmaier die plötzliche Kritik von CDU-Außenminister Johann Wadephul an Israels Vorgehen als "Pro-Palästina-Propaganda" und die Gründe des westasiatischen Landes als "nachvollziehbar". Der hessische Landtagsmandatar Dimitri Schulz rief gar zum "Compact"-Boykott auf, weil dessen Chefredakteur sein Verständnis für eine israelkritische Position zeigte.

Zwischen "Bollwerk" und "Absolution"

Gegen solche Haltungen erhebt nun die nordrhein-westfälische Ex-AfD-Abgeordnete Iris Dworeck-Danielowski in einem beachtlich deutlichen & lesenswerten Interview mit dem Grazer "Freilich"-Magazin ihre Stimme. Zum einen inhaltlich, weil Selbstverteidigung das gelindeste Mittel zur Abwehrung eines Angriffes bedeute: "In einem Krieg eine komplette Region teilweise zu zerstören, scheint jedem Menschen mit einem gesunden Verstand vollkommen unverhältnismäßig." Dies zu erkennen, bedürfte keiner palästinensichen Propaganda: "Wer das leugnet, erliegt möglicherweise selbst proisraelischer Propaganda oder schlicht und ergreifend seiner eigenen unsachlichen Bewertung der Lage."

Aber auch aus strategischer Sicht. Denn sie glaubt, dass sich Parteifreunde - vergeblich - eine"Art Absolution" von ihrem Standpunkt erhoffen: "Mit der Idee, an Israels Seite zu stehen, wie kein anderer, erhoffen sich nicht wenige – davon bin ich überzeugt – die Befreiung von der 'Nazi'-Zuschreibung." Außerdem dürfe man nicht unterschätzen, dass viele im patriotischen Milieu an "einer schon fast wahnhaften Fokussierung auf 'den Islam'" kranken würden. Daraus leite sich, gepaart mit wenig Wissen über Strömungen und Konflikte in der region eine "übergroße Sympathie für Israel ab, weil Israel als eine Art antiislamisches Bollwerk im arabischen Raum betrachtet wird." 

Nahost-Krieg schafft Fluchtursachen

Sie sympathisiert eher mit jenen Parteikollegen, für "der Grundsatz, für die Identität der Völker zu stehen, nicht auf den europäischen Raum begrenzt" ist. Nur weil man Zuwanderung und Massenmigration aus fremden Kulturkeisen bekämpfe, bedeute das nicht, dass man diese Völker oder deren Kultur ablehne oder abwerte: "Deshalb kann es nur in deutschem Interesse sein, dass der Nahe Osten für die dort ansässigen Völker eine lebenswerte Region bleibt oder wird. Wer den Nahen Osten in Schutt und Asche legt, schafft Fluchtursachen und verhindert Remigration." Eine Schicksalsgemeinschaft in bedingungsloser Solidarität mit Israel lehnt sie daher ab.

Dworeck-Danielowski kritisiert, dass mit einer solchen Haltung aber auch grundsätzlich richtige Positionen verteidigt werden, wie etwa die Ablehnung zur Aufnahme von Menschen aus Gaza. Diese habe Alice Weidel zuletzt mit dem Schutz deutscher Juden begründet: "Was soll eine solche Aussage? Es gibt keine Statistik, die besagt, dass jüdisches Leben in Deutschland besonders gefährdet sei. Das Leben aller Bürger in Deutschland sollte sicher sein. Da haben wir in der Tat ganz andere Probleme." Sie sieht sich eher auf Linie mit Co-Chef Tino Chrupalla, der in einer Rede im Vorjahr die Sichtweise vertrat, dass die AfD sich "weiter als 'Friedenspartei mit neutraler Haltung' begreifen möge. 

"Geisterfahrer" mit Pro-Israel-Haltung? 

Sie bedauert, dass innerhalb der AfD der Mythos, Rechtssein bedeute eine Pro-Israel-Position, umher geistere: "Weiter scheint man sich zu erhoffen, so die CDU angreifen zu können. Bedauerlicherweise wird nicht erkannt, dass die AfD hier mit ihrer Haltung der Geisterfahrer ist." Sie fordert eine innerparteiliche Debatte, die nicht im gemeinsamen Nenner endet: "Wir benötigen Mut und starke Nerven, um auch dieses unbequeme Thema zu diskutieren. Auch ich habe Monate mit mir gerungen, öffentliche Kritik zu üben. [...] Das Thema brodelt unter der Oberfläche gewaltig, und bevor die Fronten verhärten, sollten wir herausfinden, wie wir den Weg gemeinsam gehen können." 

Denn die von manchem Spitzenpersonal vorgetragene Haltung spiegle weder die Ansichten noch die Interessen der Bevölkerung wider. Das berge auch Gefahr: "Da dieses Thema ein sehr grundsätzliches und emotionales ist, halte ich es für fatal, den Wählerwillen zu ignorieren." Dies gelte gerade für die AfD, die einen Wert auf die "Stimme des Volkes" lege. Am Ende könnte eine falsche Positionierung auch demobilisierend für die eigene Basis wirken: "Wenn man aber das Gefühl hat, man wird von Personen vertreten, die Kriegsverbrecher hofieren, dann schmerzt das sehr. Das kann auch für langjährige, loyale Mitstreiter zur Zerreißprobe werden." 

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