Ex-Bundeswehrgeneral Erich Vad: Angriffe ändern nichts an Verhandlungen

In seinen bisherigen Analysen zum Ukraine-Konflikt ist Erich Vad, Ex-Bundeswehrgeneral und ehemals militärischer Berater von Merkel, durch seine nüchterne Sichtweise aufgefallen. Auch jetzt stellt er fest, dass der ukrainische Angriff auf die russischen Flugplätze nichts daran ändert, dass Russland seine Ziele erreicht. Auch, dass die Kämpfe während der Verhandlungen weitergehen, sei nichts Neues.
Gerade einmal eine Stunde dauerte das Treffen zwischen der russischen und der ukrainischen Delegation in Istanbul. Zugleich gingen die erbitterten Kämpfe am Boden und in der Luft in der Ukraine weiter. Überschattet wurde das Treffen zudem von den vorher stattgefundenen Angriffen der Ukraine auf die strategische Bomberflotte Russlands. Ob die Verhandlungen letztlich erfolgreich sind, ist völlig offen. Die weiter stattfinden Kampfhandlungen haben für den Verhandlungsverlauf aber nur eine untergeordnete Rolle, davon zeigt sich Bundeswehr-Brigadegeneral a.D. und einstmaliger militärpolitischen Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Erich Vad, in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung überzeugt.
Koreakrieg, Vietnamkrieg...
Dabei verweist er auf andere Kriege, wie etwa den Koreakrieg oder den Vietnamkrieg. "Es ist nicht untypisch bei Kriegen, dass die Kämpfe anhalten, während Verhandlungen geführt werden", so Vad. Schließlich versuche jede Seite "die eigenen militärischen Erfolge auszuschlachten". Dies zeige sich auch jetzt nach dem ukrainischen Angriff auf die russischen Flugplätze: "Die westlichen Medien jubeln über die ukrainische Geheimdienstoperation ‚Spinnennetz‘, durch die weit im russischen Hinterland Ziele getroffen wurden. Die Russen bezeichnen das als Terrorakt und rechtfertigen damit Gegenschläge." Dies sei "gewaltsame Begleitmusik" der politischen Prozesse, mit dem den Gegner ein Signal der Stärke gesendet werden soll. Vor dem Hintergrund der Istanbul-Gespräche fühle er sich dabei an den Militärtheoretiker Carl von Clausewitz erinnert, so Vad, der sagte: "Die Führung des Krieges in seinen Hauptumrissen ist die Politik selbst, welche die Feder mit dem Degen vertauscht, aber darum nicht aufgehört hat, nach ihren eigenen Gesetzen zu denken."
Russland erreicht seine strategischen Ziele
Der erfolgreichen Geheimdienstoperation der Ukraine gegen Russland weist Vad dabei wenig militärische Relevanz zu. "Auch die Operation Kursk war auf russischem Boden, hatte zwar einen hohen Symbolwert, aber weniger militärische Relevanz", so Vad. Zwar würde die Ukraine damit Russland zeigen "Wir erreichen euch überall", aber weder gerate Russland damit ins Wanken noch würde dadurch die Lage an der Front, wo Russland beständig vorrückt substanziell verändert. "Fakt ist, dass es eine lang geplante Geheimdienstoperation ist, die gut vorbereitet war – wahrscheinlich hat der Westen mit Aufklärungsdaten und vielleicht sogar mit Logistik Unterstützung geleistet", so der Ex-General, aber Russland habe weiterhin einen klaren Vorteil und ein militärischs Übergewicht. "Ob es den Russen in der Ukraine gelingt, einen strategischen Durchbruch an der Front zu erreichen, muss man sehen. Deutlich ist dort aber, dass die Russen langsam und stetig vorankommen und auf dem Weg sind, ihr Ziel der militärischen Arrondierung des gesamten Donbass zu erreichen", so Vad.
Kein Taurus für Kiew
Eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern lehnt Vad auch vor dem Hintergrund der erfolgreichen ukrainischen Aktion vehement ab. "Die Geheimdienstoperationen im Hinterland sind das eine. Aber den Taurus sollte Deutschland nicht liefern. Es droht die Gefahr, sollte der Taurus von der Ukraine eingesetzt und auf prominente Ziele wie die Kertschbrücke oder russische Ministerien in Moskau geschossen werden – so, wie es einige deutsche Politiker gefordert haben –, dass Deutschland Kriegspartei wird", warnt er. Die russischen Ziele der Verhandlungen seien zudem ziemlich klar: "Russland will die militärische Arrondierung des Donbass und die Kontrolle der Landbrücke auf die Krim. Dazu kommen die politischen Ziele: Keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und eine mindestens neutrale Regierung, wenn nicht russlandfreundliche Regierung." Zugleich gibt er zu bedenken, sollte Kiew zu keinen Zugeständnissen bereit sein, dass Russland ein Durchbruch an der Front gelingen könnte, Davon gehen auch einige Beobachter aus. Auszuschließen sei auch nicht, dass Russland eine Geheimdienstoperation für einen Regime-Change in Kiew startet, um seine Ziele zu erreichen. Wie auch immer, militärisch sei nicht zu verhindern, dass Russland seine Ziele zumindest teilweise erreicht.
Westen hat kein Konzept für Frieden
Dabei ist Vad ein Beispiel dafür, dass es auch in der Bundeswehr durchaus fähige Offiziere gab bzw. gibt, und nicht nur solche, die nicht einmal in der Lage sind, eine Videokonferenz abzuhalten, ohne dass der Feind mithört, wie etwa bei dem Planspiel zur Sprengung der Krim-Brücke - Der Status berichtete. Denn bereits im Januar 2023 hatte Vad, der sich selbst als überzeugten Transatlantiker bezeichnet, während sich der Rest noch im Kriegstaumel befand, in einem Interview mit der Zeitschrift Emma darauf hingewiesen, dass die Lieferungen von Schützenpanzern oder Kampfpanzern die Situation nicht lösen können. Ein militärischer Sieg der Ukraine sei nicht zu erwarten und Verhandlungen seien der einzig mögliche Weg den Konflikt zu beenden. Den westlichen Politikern warf er eine mangelnde Strategie vor - Der Status berichtete. Später unterzeichnete Vad auch das von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht veröffentlichte "Manifest für den Frieden", in dem Verhandlungen gefordert wurden. Dass Putin nicht selbst nach Istanbul reist, sieht der ehemalige Brigadegeneral nicht als mangelnden Willen zu Verhandlungen auf russischer Seiter. "Putin sieht Trump als seinen Counterpart und nicht Selenski", so Vad, der weiter auführt: "Würde Putin nach Istanbul reisen, dann würde er damit zeigen, dass er letztlich in der Rangordnung der Staatspräsidenten auf Platz zwei steht." Er wolle sich daher mit Trump treffen, mit Selenski lasse er daher nur reden.
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