Das Amt so nah und doch so fern: Merz scheitert bei Kanzlerwahl
Eigentlich sollte alles in trockenen Tüchern sein und Unions-Chef Friedrich Merz heute zum Bundeskanzler gewählt werden. Doch es kam anders. Dem Chef-Umfaller fehlten wichtige Stimmen aus der zukünftigen Regierungskoalition und er fiel bei der Wahl durch. Geht es nun wieder zurück an den Start? Denn bisher scheiterte noch nie ein Kanzler im ersten Wahlgang.
Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Auch wenn man bei den Merz-Umfallern und gebrochenen Wahlversprechen bezüglich Sondervermögen, Aushebelung der Schuldenbremse, Klimapolitik, Migration etc. kaum von "kleinen" Sünden sprechen kann. Jedenfalls schien Unions-Chef Friedrich Merz damit endlich das Ziel, Bundeskanzler zu werden, erkauft zu haben. Immerhin wurde 2002 dem späteren Blackrock-Lobbyisten Kohls Mädchen Angela Merkel als Kanzerkandidatin dem Sauerländer vorgezogen. Und auch später waren Annegret Kramp-Karrenbauer oder Armin Laschet bevorzugte Kandidaten der Union. Erst 2021 war Merz’ langer Weg zuende und er wurde zum Vorsitzenden gewählt und 2024 schließlich zum Kanzlerkandidaten.
Abweichler in der Koalition
Als schließlich dieser Tage der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD unterzeichnet wurde, wähnte man sich bereits am Ziel. "Diese Regierung muss erfolgreich sein", tönte der designierte Vizekanzler Lars Klingenbeil. Und auch Friedrich Merz gab sich siegessicher und schrieb auf X: "Ich möchte Ihnen heute sagen: Sie bekommen mit dem morgigen Tag eine Regierung, die entschlossen ist, Deutschland mit Reformen und Investitionen nach vorne zu bringen. Eine Regierung, die die Sorgen der Menschen in unserem Land auch ernst nimmt. Eine Regierung, deren Stimme in #Europa und in der Welt gehört wird."
Doch das Chaos in Form von Abweichlern innerhalb der vermeintlichen "Zukunftsregierung", ließ nicht lange auf sich warten. Die Worte des designierten Kanzlers zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrages entpuppten sich als Chimäre: "Dieses Land sucht eine Regierung, die sich ab dem ersten Tag kraftvoll und planvoll an die Arbeit macht. Genau das ist unsere Idee. Den Plan dafür haben wir mit dem Koalitionsvertrag, den wir heute gemeinsam unterzeichnen." Stattdessen scheiterte die Regierung noch vor ihrem Amtsantritt.„Ich möchte Ihnen heute sagen: Sie bekommen mit dem morgigen Tag eine Regierung, die entschlossen ist, Deutschland mit Reformen und Investitionen nach vorne zu bringen. Eine Regierung, die die Sorgen der Menschen in unserem Land auch ernst nimmt. Eine Regierung, deren Stimme in… pic.twitter.com/tpeiv0DCjL
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) May 5, 2025
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Beim ersten Wahlgang im Bundestag erreichte Merz nur 310 Stimmen. 307 Abgeordnete stimmten gegen ihn, 3 enthielten sich. Nötig für die Wahl wären mindestens 316 Stimmen gewesen, wobei Union (208) und SPD (120) gemeinsam auf 328 Stimmen kommen. Das Scheitern im ersten Wahlgang ist zudem ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, denn noch nie scheiterte ein zukünftiger Kanzler an dieser mehr "formalen" Hürde. Nun beginnt bereits die Zeit der Schuldzuweisungen. In den Reihen der SPD ist man sich keiner Schuld bewußt. "Wir gehen bei uns von voller Zustimmung aus. Gefehlt hat auch niemand“, zitieren Medien aus dem Umfeld des Fraktionschefs Lars Klingbeil. Bei der Union dürfte man das naturaliter gänzlich anders sehen.
Misstrauensvotum und Neuwahlen?
Für die Linkspartei ist das Scheitern des designierten Kanzlers bei der Wahl als Misstrauensvotum zu werten und sie sieht ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wenn Merz nicht einmal das Vertrauen seiner eigenen Leute hätte, "wie soll er dann das Vertrauen der Menschen gewinnen, die mit den realen Problemen des Alltags kämpfen", wird Linken-Chef Jan van Aken zitiert. Auch von Seiten der AfD sieht man Merz und seine kleine Koalition mit der abgewählten SPD bereits wieder am Ende. AfD-Chefin Alice Weidel erklärte: "Herr Merz sollte sofort abtreten. Es sollte der Weg geöffnet werden für Neuwahlen in unserem Land!"
So weit wird es jedoch vermutlich nicht kommen, die Angst vor noch schlechteren Ergebnissen gemäß den Umfragen ist zu groß. Stattdessen soll bereits am Mittwoch ein weiterer Versuch stattfinden Merz ins Amt zu hieven, immerhin hat man 14 Tage Zeit immer wieder abzustimmen - und wohl auch noch einige Wadln in SPD- und Unionsfraktion bis dahin vire zurichten. Allerdings lässt der gescheiterte Start der Regierung nichts Gutes für die Zukunft erahnen..."Als AfD sind wir angetreten, dieses Land vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wir sind bereit für die Regierungsverantwortung. Und fordern dazu auf, Vernunft walten zu lassen. Herr #Merz sollte sofort abtreten. Es sollte der Weg geöffnet werden für Neuwahlen in unserem Land!" pic.twitter.com/gzZochF5p5
— Alice Weidel (@Alice_Weidel) May 6, 2025
Nachdem gestern der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD unterzeichnet wurde, wird Friedrich Merz heute offiziell zum Bundeskanzler gewählt.
— CDU Deutschlands (@CDU) May 6, 2025
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