Kanzler im Kreis der Verdächtigen

"Cobra Libre": Hat es sich für Nehammer bald ausgekanzlert?

Politik
Bild: President Of Ukraine, CC0 1.0, Flickr

Kaum ist die Landtagswahl in Niederösterreich geschlagen und die ÖVP leckt ihre Wunden und betrauert den Verluste der Absoluten, bricht schon neues Ungemach über die Kanzlerpartei herein. Diesmal in Form der Cobra-Affäre aus dem vergangenen Jahr. Denn wie Medien berichten, wird ÖVP-Kanzler Karl Nehammer als Verdächtiger von der Staatsanwaltschaft geführt.

Nach Affäre fluchtartig nach Kiew

Im vergangenem April überschattete die Cobra-Affäre des Kanzlers bzw. seiner Gattin die österreichische Innenpolitik und sorgte für eine verstärkte Reisetätigkeit des ÖVP-Familienoberhauptes. Flugs ging es mit Gattin Kathi und Ex-Bild-Zeitungschef Kai Diekmann als Chefberater nach Kiew, um sich als hemdsärmeliger Macher zu präsentieren und von der leidigen Cobra-Libre-Sache in der Heimat abzulenken. Selbst in die Höhle des Löwen wagte man sich vor und las Wladimir Putin im Kreml gehörig die Leviten - so das Narrativ, welche der Pannen-Kanzler gerne geprägt hätte, sich letztlich aber als nicht haltbar herausstellte.  

In Moskau belächelte man die Nehammer-Inszenierung hingegen eher. Die russische Tageszeitung "Moskowski Komsomolez" (MK) schrieb damals: "Das war die erste Reise des Vertreters eines unfreundlichen europäischen Staats in die Russische Föderation nach Beginn der Spezialoperation in der Ukraine." Allerdings gebe es keinen Grund, sich über den plötzlichen Besuchs des Kanzlers, der zuvor noch nie mit Putin gesprochen habe, zu wundern. Denn dieser österreichische Bundeskanzler sei keine "dauerhafte Figur", so die MK und verwies dabei auf die elf Bundeskanzler seit Putins Machtübernahme im Jahr 2000.

Verdächtiger Karl Nehammer

Im Schatten seiner Osteuropa-Reise offenbarten sich hingegen Schieflagen im unmittelbaren Dunstkreis des Kanzlers. Denn damals verursachten Nehammers Personenschützer am 13. März betrunken einen Autofall mit dem Dienstwagen. Offenbar hatten sie sich während der Dienstzeit ein paar Gläschen mit der Angetrauten des Kanzlers gegönnt. Medien berichteten von 1,2 Promille beim Fahrer des Unfallwagens, der Beifahrer soll wohl gar nicht mehr in der Lage gewesen sein, den Alkotest zu absolvieren. Als der Vorfall ruchbar wurde, machte die ÖVP das, was sie immer macht: Sie versuchte die sprichwörtliche "b'soffene G'schicht'" mit Blendgranaten zu vernebeln. 

Auf einer Pressekonferenz sprach Nehammer damals von einem Tiefpunkt und dem Überschreiten einer Roten Linie, dass seine Familie da mit hineingezogen würde. Dabei dürfte der feucht-fröhliche Umtrunk am Geburtstag seiner Gattin stattgefunden haben. Die Intervention, es so hinzustellen, als habe das Gelage außerhalb der Dienstzeit stattgefunden, ließ schnell den Verdacht aufkommen, es solle etwas vertuscht werden. Auch wurde bekannt, dass die Cobra-Personenschützer praktisch "Mädchen für alles" waren und auch zu Aufgaben herangezogen wurden, die nicht ihrer Arbeitsbeschreibung entsprechen. Diese Intervention führt nun zum Verdächtigen Karl Nehammer.

Anfangsverdacht

Wie Medien nun berichten, ermittelt die Staatsanwaltschaft Korneuburg zu diesen mutmaßlichen Interventionen und es besteht ein Anfangsverdacht in Richtung Amtsmissbrauch. Zu dem Kreis der Verdächtigen zählt dabei auch der derzeitige ÖVP-Kanzler Karl Nehammer. Verdächtiger bedeutet dabei, dass es zwar einen Anfangsverdacht gibt, dieser jedoch noch so vage ist, dass es (noch) nicht für den Status als Beschuldigter reicht. Auf Anfrage der Medien bestätigte die Staatsanwaltschaft, dass es Ermittlungen gegen mehrere Personen gäbe, Namen nannte sie aber nicht.

Die Betroffenen weisen alle Vorwürfe von sich. Auch aus einer Antwort des Kanzleramtes wird zitiert, darin heißt es: "Es ist nichts Neues, sondern seit einem Jahr öffentlich bekannt, dass es in der Cobra-Frage rund um den Personenschutz von Kanzler Karl Nehammer Ermittlungen gibt. Grund ist ein anonymes Pamphlet mit Vorwürfen. Diese Vorwürfe sind falsch. Der Bundeskanzler wurde bisher nicht einvernommen und ist auch nicht Beschuldigter."

Strafrecht als Verteidigungslinie

Schon im ÖVP-Untersuchungsausschuss war festzustellen, dass die ÖVP Vorwürfe häufig mit dem Hinweis auf mangelnde strafrechtliche Relevanz abtut. Ob es - noch unter Kurzzeit-Kanzler Sebastian Kurz - um die Hausdurchsuchung im Bundeskanzleramt, Korruptions- und Interventionsaffairen rund um Parlamentspräsidenten Wolfgang Sobotka, Klubobmann Wöginger oder andere ÖVPler geht - die Optik mag zwar mächtig schief sein, aber mit der Bemerkung, es sei ja nicht strafrechtlich relevant wurde weiter gemacht wie zuvor.

Ob Anstand, Ehrlichkeit und Verantwortung vielleicht zumindest dem Anschein nach in Mitleidenschaft gezogen wurden, interessierte nicht. "Anstand, Ehrlichkeit und Verantwortung sind Werte, die in unserer Volkspartei Tradition haben", heißt es im Verhaltenskodex der ÖVP. Nun ist Papier bekanntlich geduldig und was sie daraus macht, steht auf einem anderen Blatt... Und bis dahin wird weitergemacht, bis zur nächsten Hausdurchsuchung. 

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