Gezwungen sein, am Spektakel teilzunehmen

Außenpolitik: Warum sollen wir eigentlich immer Partei ergreifen?

Meinung
Symbolbild: Freepik

Die Öffentlichkeit wird zunehmend gedrängt, in außenpolitischen Konflikten Partei zu ergreifen. Wer differenziert oder zögert, wird verurteilt. Dabei spaltet der moralische Druck nicht nur Diskurse, sondern auch persönliche Beziehungen und ganze Gesellschaften.

Polarisierung durch Parteinahme

Bist du für Israel oder den Iran? Unterstützt du die Ukraine oder Russland? Zeigst du Verständnis für die Palästinenser oder eher für Netanjahu? Gehörst du zum Team Trump oder Biden? Präferierst du Selenskyj oder Putin? Nicht nur in den sozialen Medien machen in diesen Tagen zahlreiche Umfragen die Runde, in denen die Nutzer aufgefordert werden, sich in außenpolitischen Belangen zu positionieren.

Wer sich nicht auf die eine oder die andere Seite schlägt, wird im Zweifel beschimpft, wahlweise aber auch mit dem Vorwurf des Antisemiten, des Kreml-Knechts oder des Mullah-Befürworters konfrontiert. Man fragt sich, ob diese Gesellschaft nicht schon genug Spaltung ertragen muss – leben wir uns doch in einer Epoche zunehmend auseinander, in der Freundschaften und sogar familiäre Bindungen entlang ideologischer Ansichten verlaufen.

Spätestens seit der Corona-Zeit wurde alles daran gesetzt das Volk zu polarisieren. Sie sollen in oftmals vorgefertigten Schubladen und ohne jedes Verständnis für eine abweichende Überzeugung sein. Da gibt es nur noch ein Schwarz-Weiß, weil Differenzierung ohnehin allzu anstrengend ist. Wer mit Plakativen und Schablonen eine auf schlichten Erzählweisen beruhende Absolutheit einfordert, wird kein Interesse daran haben, sich Ungereimtheiten oder Argwohn zu stellen.

Kulturelle Frontlinien vor der Haustür

Doch wollen wir es tatsächlich zulassen, dass dank vieler Nebelkerzen der Eindruck entsteht, unsere Zukunft entscheide sich im Donbass, im Nahen Osten oder am Persischen Golf? Oder würde es nicht zur Ehrlichkeit dazugehören, dass der Kulturkampf, der in der Hamburger Fußgängerzone, im Freibad von Köln-Marxloh oder im Frankfurter Bahnhofsviertel ausgefochten wird, uns weitaus unmittelbarer tangiert?

Warum lassen wir uns von Konflikten auseinandertreiben, mit denen wir nur sehr bedingt etwas zu tun haben – finden sie doch fern unserer Heimat statt – und sind darüber hinaus in ihrer Komplexität, den historischen Zusammenhängen und der Vielfalt an unbelegten Informationen bestens dazu geeignet, durch Propagandisten für ihre Zwecke missbraucht zu werden?

Was hat es noch mit einer offenen Debattenkultur zu tun, wenn man Fragen und Zweifel am Vorgehen Jerusalems nicht mehr äußern darf, ohne gegen die Staatsräson zu verstoßen? Und weshalb sollte man sich um einen Diskurs bemühen, florieren doch die Totschlagargumente? Wird die Geschichte instrumentalisiert, um damit einen Blankoscheck für diejenigen auszustellen, welche immer wieder darauf verweisen können, stets von allen Seiten bedrängt worden zu sein, erübrigt sich jede Erwartung an Objektivität.

Tendenziöser Journalismus und fragwürdige Narrative

Selbst der Journalismus verfällt diesbezüglich immer mehr in Tendenziösität und Voreingenommenheit, nimmt er doch reflexartig Partei, obwohl im Augenblick so manche Entwicklung beispielsweise an den Einmarsch im Irak erinnert, in dem nie Massenvernichtungswaffen gefunden wurden, aber das Narrativ herhalten musste, um sogenannte "westliche Werte" zu implementieren, was schlicht zu übersetzen ist mit dem Anspruch auf Rohstoffe, globale Vormachtstellung und der Demonstration einer Hybris, ethisch und sittlich besser zu sein als der Feind.

Doch daran muss Skepsis herrschen. Und vielleicht zögerte der US-Präsident auch deshalb zunächst mit der Überlegung, sich am militärischen "Präventivschlag" gegen Teheran zu beteiligen, war es doch die eigene CIA im Jahr 2023, welche einigermaßen gesichert davon ausging, dass das Regime keine Weiterentwicklung seiner Urananreicherung betreibe? Freilich, seit den frühen Morgenstunden mag dies Makulatur sein, aber letztendlich hat er durch sein nunmehriges Eingreifen viele Sympathien bei seinen eigenen Wählern sowie patriotischen Partnern in Europa riskiert

Das ganze Fiasko zeigt aber auf: Vorwände und Behauptungen werden ohne Not zu Tatsachen und Wahrheiten umgedeutet, lassen sie sich doch tugendhaft aufladen mit einem Geist der Arroganz, ein auserwähltes Volk besitze einen Freifahrtschein, der möglicherweise nicht zwingend zur Existenzsicherung dient, sondern als Ablenkungsmanöver vom ebenfalls jedes Maß verlierenden Krieg im Gazastreifen.

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