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Einmal Pranger reicht nicht: 'Zeit' schnüffelt 'Sylt-Sängern' nach

Medien
Pony-Club: Magnus Manske, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0; Screenshot: X; Komposition: Der Status.

Vor einem Jahr wurde das betrunkene Party-Video mehrerer junger Menschen auf Sylt zur Staatsaffäre aufgebauscht. Sie verloren ihre Jobs, wurden zum Ziel einer wochenlangen polit-medialen Hetzjagd. Doch dem System reicht es offenbar nicht, das Leben dieser Menschen einmal zerstört zu haben. Nur eine Woche nach der Aufregung um die "Stasi-Recherche-Methoden" gegenüber einem regierungskritischen YouTuber prahlt die "Zeit" damit, dieselbe Aktion mit den "Sylt-Sängern" von damals abziehen zu wollen...

Sylt-Psychose feiert fröhliche Urständ

Die Vorgänge zeichneten ein schauriges Bild der polit-medialen Psyche in Deutschland. Unter grober Missachtung von Persönlichkeitsrechten wurde aus allen Rohren auf eine Handvoll junger Erwachsener geschossen, die zu einem alten Gigi d'Agostino-Gassenhauer die Worte "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" gesungen hatten. Reihum verloren sie ihre Arbeitsstellen, im Fall einer Beteiligten prüfte sogar die Uni eine Zwangs-Exmatrikulation. Eine leitende SPD-Politikerin forderte öffentlich die "Höchststrafe". Und dabei blieb es nicht: Wer auch immer den "verbotenen Ohrwurm" intonierte, war böse - die Polizei kreuzte sogar bei Ausländerinnen auf, die diesen Liedtext sangen...

Demnächst jährt sich einer der größten Medienskandale in diesem Jahrzehnt, doch im "Haltungsjournalismus" wähnt man sich stets auf der richtigen Seite. So wunderte es kaum, dass "Zeit"-Journalisten es schon in der Vorwoche nicht für übergriffig erachteten, im Doppelpass mit dem ZDF dem YouTube "Clownswelt" nachzuspionieren und in bester Stasi-Zersetzungsmanier sogar bei seinen Eltern ungebeten auf der Matte zu stehen. Und was einmal jedes mediale Ethos vermissen lässt, kann man auch ein zweites Mal bringen. Denn in der "Zeit"-Redaktion empört man sich, dass die "Sylt-Sänger" wieder ein geregeltes Leben führen dürften.

"Zeit" skandalisiert die Normalität

Im Falle eines Beteiligten besuchte man zuerst seinen ehemaligen Mitbewohner, dann versuchte man das Glück auch beim Elternhaus, in dem er nun wieder wohnen soll. Mit bewährter, detaillierter Beschreibung: "Ein Haus im Allgäu, der Rasen im Garten ist fein gestutzt. Ein Mini Cabrio parkt vor der Tür." Keinerlei Verständnis oder Selbstreflektion hat hingegen man ob des Umstandes, dass niemand aus dem Umfeld des im Vorjahr medial regelrecht hingerichteten Mannes mit Medien sprechen will, die damals im Tagesrhythmus erneut gehässig auf der Causa herumritten.

Etliche Medien zeigten damals die Bilder der jungen Menschen unverpixelt - etwas, das man sich sonst nicht einmal bei Gewaltverbrechern traut. Seither kämpfen die Beteiligten mithilfe von Anwälten darum, ihren Namen reinzuwaschen und eine zweite Chance zu bekommen, nachdem ein unbedachtes Party-Video die Republik beschäftigte. Also skandalisiert die "Zeit", dass sie "sämtliche Spuren im Internet gelöscht" hätten. Dass die Betroffenen das Glück haben, dass ihre Familien sie nicht nur emotional sondern auch finanziell unterstützen, ist ganz böse: "Man muss es sich leisten können, nicht auffindbar zu sein. [...] Verschwinden zu können, ist auch ein Privileg."

Für Der Status-Redakteur Julian Schernthaner ist dies keine aufrichtige Art des Journalismus:

Volk über Stasi-Journalismus verärgert

Das ganze Machwerk liest sich nicht wie ein Artikel, der wirklich eine Frage von öffentlichem Interesse erörtern will, sondern wie die verbitterte Dokumentation des Scheiterns am Versuch, an den Pranger gestellte junge Menschen ein zweites Mal an den medialen Pranger zu stellen. Und das, obwohl deren Fauxpus weitgehend nicht einmal strafrechtlich relevant war. 

In sozialen Medien ist das Echo auf den Artikel vernichtend: Nur 140 Gefällt-Mir-Angaben standen bis Sonntagabend über 1.200 fast durchwegs negative Kommentare gegenüber, die ihres Zeichens oftmals deutlich mehr "Likes" auf sich vereinen als der Ausgangsbeitrag des Mediums:

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