Bonzen kassieren in eigene Tasche

Billig-Lohn-Sektor Journalismus: Mainstream-Praktikantin wirft hin

Medien
Bild: Thomas Ledl, CC BY-SA 3.0 AT, via Wikimedia Commons

Rund 650 Millionen Euro nimmt der ORF durch die GIS-Gebühren ein. Dies sind zwei Drittel des Jahresbudgets. Ein weiteres Drittel lukriert der Staatsfunk durch Werbeeinnahmen. Somit steht ihm im Jahr fast 1 Milliarde Euro zur Verfügung. Doch viele der Mitarbeiter merken davon nichts. Von dem Geld kommt "unten" - bei denen, die die Arbeit machen -nichts an, ihre Arbeitsbedingungen sind prekär. Eine ehemalige Ö1-Mitarbeiterin packte nun aus und schilderte auf sozialen Medien die schlechten Arbeitsverhältnisse.

Ab- und Anmeldung nach Belieben

Sie war nach eigenen Angaben mehr als vier Jahre bei Ö1. Allerdings nicht fest angestellt, sondern als "freie Mitarbeiterin". Nun hat sie die Nase voll und ging an die Öffentlichkeit, um auf die Probleme von Mitarbeitern in Medienbereich aufmerksam zu machen. "Vergangene Woche lief mein vorletzter Beitrag für @oe1. Ich will dort nicht länger arbeiten. Nicht, weil mir die Arbeit dort nicht (mehr) gefallen würde oder wegen der Kolleg_innen, sondern allein wegen der äußerst prekären Bedingungen und der allgemeinen Perspektivlosigkeit", erklärt die ehemalige Mitarbeiterin auf Twitter und auf ihrem Blog.

Plötzlich nicht mehr krankenversichert

In den vier Jahren, in denen sie für Ö1 tätig war, reihte sich ein befristeter Dienstvertrag an den nächsten. Derartige Kettenverträge sind nach dem Arbeitsrecht ohne sachliche Rechtfertigung eigentlich nicht zulässig. Im ORF-Gesetz gibt es allerdings, ähnlich wie für die Universitäten im Universitätsgesetz, Ausnahmen, die dies dennoch zulassen. Für die Betroffenen ist so etwas immer schwierig, keine zeitliche und finanzielle Planbarkeit.

So gibt die ehemalige freie Mitarbeiterin auch an, mehr als einmal plötzlich ohne Krankenversicherung und somit ohne gültige E-Card beim Arzt gestanden zu sein, weil ein Datum auf einer Honorarnote nicht stimmte oder sie schlicht und einfach nicht rechtzeitig von der Abmeldung von der Sozialversicherung informiert wurde. "In mehr als 4 Jahren beim Sender war ich kein einziges Mal länger als 32 Stunden am Stück beschäftigt* (das entspricht in der Rechnung des ORF der Produktion einer 25-Min.-Sendung wie dem @oe1-Kulinarium). Überall sonst in Österreich wäre so ein Arbeitsverhältnis nicht möglich", macht sie ihrem Ärger Luft.

Überstunden, Feiertagsarbeit... egal

Dabei spiegelt die Praxis des Bezahlens auch kaum die Realität und den redaktionellen Alltag wider. Denn die Anwesenheit bei Sitzungen und auch Klausuren wird erwartet. Zudem werden bei der Bezahlung Recherchen, die über Wochen oder Monate dauern nicht abgebildet und auch Über- bzw. Mehrstunden sowie Feiertagsarbeit gelten als pauschal mit abgegolten. Und Besserung der prekären Arbeitsverhältnisse sind nicht in Sicht. Denn redaktionelle Stellen sind selten und würden bei Pensionierungen kaum nachbesetzt. Logisch, so wie es ist, mit schlecht bezahlten freien Mitarbeitern ist es einfacher und billiger.

So vermutet dann auch die ehemalige Mitarbeiterin: "Diese Art zu arbeiten – ohne zeitliche/finanzielle Planungssicherheit, immer der nächsten Deadline hinterherhetzend – scheint innerhalb des ORF völlig normalisiert, selbst viele Betroffene haben sich damit abgefunden. Das kann ich verstehen, denn wenn man im Dauerstress nur immer gerade so über die Runden kommt (finanziell und kräftemäßig), bleibt wenig Energie übrig, sich gegen das System aufzulehnen, das für diese Bedingungen sorgt."

Bonzen leben in Saus und Braus

Nun zog sie den Schlussstrich und verließ Ö1. "Ich bin es leid, für ein Unternehmen zu arbeiten, dass sich nach außen so jung und divers gibt und gleichzeitig durch gesetzlich abgesicherte Vertragsstrukturen dafür sorgt, dass man es sich leisten können muss, dort zu arbeiten. Ich bin es leid, für ein Unternehmen zu arbeiten, das junge, engagierte Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse drängt...", erklärt sie und hofft, dass sich durch ihren Bericht vielleicht doch noch die Arbeitsverhältnisse ihrer Ex-Kollegen verbessern.

Denn während "unten" offenbar gespart wird, leben die Bonzen in Saus und Braus. Die ORF-Stars und -Sternchen sowie die "oberen Zehntausend" lassen es sich auf Kosten der Zwangsgebühren-Zahler gut gehen.

Ein paar verdienen gut auf Kosten der vielen

Ob das Sittenbild, welches die Ex-Ö1-Mitarbeiterin über den ORF zeichnete, nur diesen betrifft, darf wohl bezweifelt werden. Bei ORF ist es nur offensichtlicher. Denn dass die "Chef-Etage" des Staatsfunks abkassiert, Ex-Generaldirektor Alexander Wrabetz verdiente 400.000 Euro im Jahr, bei seinem Nachfolger Roland Weißmann wird es nicht weniger sein und vor Jahren kamen schon angebliche ORF-Stars wie Armin Wolf auf ordentliche Summen mit teilweise über 10.000 Euro im Monat, ist lange bekannt.

Selbst ORF-Manager, Sicherheitsbeauftragter und Leiter des Küniglbergs Pius Strobl, der noch aus der Wrabetz-Zeit stammt und bei den Grünen verwurzelt ist, hat nicht nur ein Monatsgehalt von 20.000 Euro sondern gönnte sich als Dienstwagen auch einen Audi e-tron im Wert von 70.000 Euro, noch dazu, wo er angeblich nicht einmal einen Anspruch auf eine Dienstkarosse hätte.

Weckruf gegen Bonzen-Klüngel

Es ist in Österreich zwar kaum zu erwarten, aber vielleicht beginnt doch einmal ein Umdenken. Denn immerhin will der ORF noch mehr Geld, eine Haushaltsabgabe für alle steht wohl bereits in den Startlöchern - Der Status berichtete. Wohin es fließt ist ungewiss, ziemlich sicher ist wohl nur, dass die vielen prekär beschäftigten Mitarbeiter davon nicht viel sehen werden.

Sie sind aber nicht einzigen, die über schlechte Arbeitsbedingungen berichten. Auch eine Studie der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität von 2021 zeigte, dass sich die Arbeitsbedingungen im Journalismus zunehmend verschlechtert haben. Die erschütternden Schilderungen der Ö1-Mitarbeiterin zeigen jedenfalls ein Sittenbild auf. Sie werfen die Frage auf, in wie vielen anderen Medienkonzernen - einschließlich jenen, die sich eine moralische Erhabenheit und Andersartigkeit regelrecht auf die Fahnen schreiben - die Handhabe ähnlich abläuft. 

Für echten kritischen Journalismus bleibt so kein Platz mehr. Deshalb ist die Unterstützung der Leser für Medien abseits des Mainstreams immer wichtiger, zumal es dort auch keine dicken Förderungen in Form von Inseraten etc. gibt. Denn wenn echte Journalisten wieder ihr Auskommen mit ihrer Tätigkeit finden, stehen die wohlgefälligen Propagandisten in Staatsfunk & Co. irgendwann mit ihren Dienstwägen alleine da... 

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