Prix Europa: Europäischer ÖRR feiert sich auf Beitragszahlerkosten
Bild: Der Status
Einmal im Jahr trifft sich in Berlin die Elite der europäischen Rundfunkanstalten, um sich selbst zu applaudieren und gegenseitig Preise zu verteilen. Man lobt sich, sonnt sich im eigenen Glanz und bestätigt in den meisten Fällen die immer gleiche Moral. Der Status war vor Ort.
Die Grandezza der Staatsfunk-Blase
Der Status auf Exkursion, diesmal undercover in der Höhle des Löwen.
Seit 1987 kommen einmal im Jahr in Berlin die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas zusammen, um Preise für die besten ÖRR-Werke zu verleihen. Diesmal vom 05. bis zum 10. Oktober. Unter königsblauen und goldenen Bannern beweihräuchert man sich selbst und schachert einander Preise zu. Unabhängige Produktionen sucht man also vergebens, und natürlich lautet der Slogan "public service media - serving democracy" ("öffentlich-rechtliche Medien – im Dienste der Demokratie"). Im Begleitprogramm gibt es auch Workshops. Aber: Es sind viele wichtige Leute da, Produzenten, Journalisten, Programmdirektoren. Es ist auch unklar, wieviel die Ausrichtung kostet, öffentlich zugängliche Informationen gibt es hierzu nicht. Verantwortlich ist jedoch der Rundfunk Berlin-Brandenburg - somit die Zahler der Rundfunkgebühr. Da der Eintritt frei ist und man mehr oder weniger einfach reinspazieren kann gibt es auch keine Ticketeinnahmen. Immerhin gibt es keine Preisgelder. Selbstverständlich ist es interessant, von den Programmen, die aus den jeweiligen Ländern ins Rennen geschickt werden, auf jeweilige nationale Befindlichkeiten zu schließen. Aus Osteuropa kommt beispielsweise viel zur Ukraine und Putin, aus Westeuropa viel zur LGBTQ-Szene und Migranten. Soweit, so vorhersehbar. Aber warum gibt es überhaupt ein solches Festival, wenn man doch ohnehin Geld von Beitragszahlern bekommt und es keinen echten Wettbewerb gibt?
Fokus auf das Randständige
Die Themen schlagen sehr oft in eine ganz bestimmte Kerbe: In Skandinavien geht es um Feelgood-Sozialzeugs, wie eine norwegische Doku über eine, die “an zweite Chancen glaubt“ und natürlich eine Radioshow im Gefängnis namens “The Bandit Show” gegründet hat. Herzallerliebst. Resozialisierung hin und her, aber es fällt auf, dass im linken Mainstream Migranten, Straftäter, Obdachlose und ganz allgemein Individuen am Rande der Gesellschaft nicht einfach als Menschen wahrgenommen werden, denen man vielleicht helfen sollte - sondern als eine Art geschützte Gruppe, die qua Existenz als solche über eine fast transzendente Qualifikation verfügt, die Gesellschaft anklagen zu dürfen und deren Wort offenbar mehr gilt als das derjenigen, die die Gesellschaft eigentlich am Laufen halten.
Die thematische Auswahl spiegelt das wieder, so dominieren die Arbeiten zu Drogen, Migration, Migration über das Mittelmeer, Klimawandel, Zweiter Weltkrieg, Israel und Gaza, Juden und Muslime in Europa, AIDS und die schwule Szene, Ukraine, psychotische Alkoholikerinnen, die Überfälle begehen und durch das Schreiben von Poesie im Gefängnis geläutert werden. Gewonnen haben wenig überraschend viele dieser Arbeiten zu Migration, der Ukraine und Israel/Gaza, fairerweise muss man aber sagen, dass auch da nicht alles schlecht ist: Eine Audioreportage über die Gefahr von Nikotinbeuteln ist sicherlich im Interesse der Gesundheit europäischer Bürger.
Der unfreiwillige Witz der Veranstaltung
Aus Osteuropa kommen innovativere, spannendere Projekte: Im Bereich Video Fiction beispielsweise "Shadow Play", eine Serie über einen britischen Spion, der im Polen der frühen Fünfziger verschwindet. Ein politischer Thriller entfaltet sich vor einer Kalter Krieg-Kulisse. Litauen hat unter anderem “Breach in Baltic City”, einem Scifi-Cyberpunk-Krimihörspiel, für interessante Akzente gesorgt.
Vom finnischen Staatsfunk kommt eine Doku zur ehemaligen Premierministerin Sanna Marin, und was für eine visionäre Politikerin sie sei, die dann beim mutmaßlichen Drogenkonsum erwischt worden ist. Zitat aus dem Programmheft: "…sie faced intense media scrutiny with increasingly intrusive questions. But how much partying is too much for a leader?" ("…sie stand unter intensiver Beobachtung der Medien, die immer aufdringlichere Fragen stellten. Aber wie viel Feiern ist zu viel für eine Regierungschefin?") Offenbar hat nicht nur Deutschland ein Problem mit einem Staatsfunk, der seinen Auftrag als Vierte Gewalt, die ja eigentlich kritisch gegenüber der Macht sein sollte, nicht so ernst nimmt - man erinnere sich an die berüchtigte Habeck-Doku.
Mit dem bedienenden Personal komme ich einfach ins Gespräch, und nach einigen Tagen scheinen sie sichtlich genervt von den anwesenden Gästen zu sein.
Die deutschen Beiträge
Interessant auch, was der deutsche ÖRR ins Rennen geschickt hat: ARTE hat überraschenderweise zwei spannende Dokus im Rennen, "Stimmt es, dass die Demokratie in Griechenland erfunden wurde", über demokratische Gesellschaftsorganisationen, die im Lauf der Geschichte weltweit auch von selbst entstanden sind und "The Helsinki-Effect", wo es um die Helsinki-Konferenz 1975 ging, wo mitten im Kalten Krieg viele einander spinnefeinde Staatschefs zusammenkamen - ein Sieg für die Diplomatie und eine Zusammenkunft, die vielleicht damals einen atomaren Weltkrieg verhindert hat. Der Deutschlandfunk mit einem Feature über die heimatvertriebenen Sudetendeutschen aus dem böhmischen Egerland. Neben weiteren Projekten ist auch “Sind unsere Tage gezählt?” von RB Bremen Zwei ganz unterhaltsam, wo es um die potenziellen Katastrophen und Weltuntergangsszenariender nächsten Jahrzehnte geht, um Krieg, Klima, Asteroiden, und so weiter. Typisch linke Lebensfeindlichkeit und Zukunftsangst, aber sei's drum. Der RBB hat hingegen mit "Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet" ein Hörspiel über einen Transvestit und „queere Dragqueen“ namens Dolores, die in Berlin Magnus Hirschfeld trifft und sich anschließend an Nazis rächt, eingesandt. Nazis und Transen, das Herzstück der deutschen Psychose.
Alternativmedien als Bedrohung
Bemerkenswert auch die Diskussion zu digitalen Medienprojekten: Finnland geht immerhin mit einer Arbeit ins Rennen, bei der Kinder mit der Poesie des Nationaldichters Aleksis Kivi spielen sollen. Der Schwedische Rundfunk hingegen präsentiert ein KI-basiertes Nachrichtensuchtool, das natürlich in dessen "redaktionellen Werten und Standards" verwurzelt ist. In der dazugehörigen Diskussion wird aber als Motivation für die Erstellung dieses Tools erwähnt, dass die “Extreme Rechte” (darunter geht es nie) ihre eigenen Nachrichtenplattformen hätte. Man stellt also alternative Medien unter Generalverdacht, sieht sie als Bedrohung, unterscheidet auch nicht zwischen unseriösen Plattformen und solchen, die ein dringend benötigtes Korrektiv darstellen und sich wachsender Popularität erfreuen. Die Blindheit der herrschenden Kaste ist wohl unheilbar. Immerhin: Schweden zeigt auch eine Dokumentation, bei der es um die ausufernde migrantische Gangkriminalität im Lande geht.
Noch kann die Rechte keine Kultur produzieren
Mein Urteil muss daher nuanciert ausfallen: Teils sind die angebotenen Projekte sicherlich ideologisch, und wenn sie ideologisch sind, dann nur in eine Richtung, nämlich links. Gleichzeitig gibt es viele interessante nichtideologische Projekte, die sicherlich eine kulturelle Bereicherung darstellen und für welche die Zahlung des Rundfunkbeitrags gerechtfertigt ist.
Und sicherlich sind diese Produktionen hochwertig. Potenzielle patriotische oder alternative Medienhäuser könnten da nicht mithalten. Vielleicht auch deswegen die Nutzung von KI, die viele aus dem Mainstream mit der Rechten assoziieren: Jeder Schauspieler, der mit der Rechten zusammen arbeiten würde hätte effektiv Karrieresuizid begangen, daher wird man kein fähiges Personal für Kulturproduktionen bekommen. Nun ist die Idee eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks ja an sich keine schlechte. Irgendwo muss Geld für aufwendige Kulturproduktionen herkommen, wie auch Götz Kubitschek neulich einem Interview mit Freilich sagte. Aufwändige Investigativrecherchen kann sich auch nicht jede Redaktion leisten, Kultur zu unterstützen ist Teil der Pflege des kollektiven Erbes, und was sich finanziell selbst tragen könnte ist nun einmal leider in den meisten Fällen Schund. Es ist und bleibt ein schwieriges Thema, weil man die Probleme des ÖRR ohne Reform oder gar Abschaffung wahrscheinlich nicht in den Griff bekommt.
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