Verrückte These geht wiederholt viral

Irre: Jetzt soll sogar 'Guten Morgen' schon rassistisch sein...

Kultur
Symbolbilder: Freepik (2); Screenshot: X; Komposition: Der Status.

Die Sprachpolizei kennt kein Erbarmen: Was gestern noch ein normales Wort war, kann heute schon verwerflich sein. Dabei machen die Verfecher politischer Korrektheit - von der politischen Spitze bis zu den indoktrinierten "Fußsoldaten" an der Basis - keinen Hehl daraus, dass es nicht beim Negerkuss oder Zigeunerschnitzel bleibt. In der Zeit der heiligen "Identitätspolitik" kann alles ins Visier geraten. Mitunter auch durch falsche Behauptungen: Laut einer schwarzen Influencerin sei nämlich sogar "Guten Morgen" rassistisch.

Morgengruß als höhnischer Rassismus?

Es ist eine steile These, die eine afroamerikanische TikTok-Influencerin (135.000 Follower) in einem Video aufstellt, das aktuell im kritischen Lager auf X viral geht. Die freundliche Begrüßung "Good morning" (Guten Morgen!) sei in Wahrheit rassistisch. Sie basiere nämlich darauf, dass weiße Sklavenhalter früher zur Abendstunde die Kinder schwarzer Sklavinnen verkauften oder ihre Liebsten ermordet hätten. Nachdem sie sich über Nacht die Seele aus dem Leib heulten, hätte sie im Morgengrauen mit einem höhnischen "Did you have a good mourning?" (Hattest du eine gute Trauer?) geweckt.

In der Folge hätte man dann aus dem Wort dann "einfach das U rausgenommen", um die Herkunft der Phrase zu verschleiern, so die Behauptung im Video, das erstmals im Oktober 2023 die Runde machte. Schon im Vorjahr sorgte es für Kopfschütteln, blieb allerdings kein Einzelfall. Denn auch weitere Kontos verbreiteten die absurde Legende, sodass sich "Yahoo News" vor etwa einem Jahr genötigt sah, einen Faktencheck zu produzieren, der das Offenkundige herausstellte - nämlich, dass es keinerlei etymologische Verbindung der beiden Begriffe gäbe. 

Jahrhunderte vor Sklaverei in Gebrauch

Beide Begriffe gehen auf germanische Erbwörter zurück: "to mourn" kommt vom Altenglischen "murnan", das so viel bedeutet wie: sorgenvoll trauern. Der althochdeutsch belegte Begriff "mornen" hat hingegen keine Entsprechung im heutigen Deutsch. Ganz anders beim "morning", das mit dem deutschen "Morgen" zusammenhängt. In seiner älteren Nebenform "morrow", das im Begriff für den folgenden Tag ("tomorrow") erhalten blieb, ist es Teil einer ganzen Reihe von Wörtern, die lautgesetzliche Entsprechungen im Deutschen & Englischen haben: sorrow - Sorge, marrow - Mark, borrow - borgen, follow - folgen, hallow - heiligen, usw.

Insbesondere ist es in mehreren europäischen, zumal germanischen Sprachen, üblich, sich einen "guten Morgen" zu wünschen. In der englischen Sprache ist ein kräftiges "Good morning" bereits 1390 in den Werken von Geoffrey Chaucer zweifelsfrei belegt. Die erste von Europäern gegründete Dauersiedlung auf heutigem US-Boden entstand erst 1559 (Pensacola), die erste von englischen Kolonisten gegründete Siedlung überhaupt erst 1607 (Jamestown). Die erste belegte Ankunft von Sklaven reicht auf das Jahr 1619 zurück, als ein holländisches Schiff in einem Hafen im heutigen Virginia einlief und laut Quellen "etwas über 20 Neger" an Bord hatte. Aber was sind schon 200 Jahre...?

Wenn "geizig" als Rassismus gilt

Im vorliegenden Fall ist die Behauptung so skurril, dass viele Nutzer sie schnell als Unfug entlarvten und vermutlich keinen Faktencheck dafür benötigt hätten. Doch in der Vergangenheit gab es tatsächlich Fälle, in denen der ähnliche Klang von unverwandten Wörtern zu Konsequenzen führte. So gibt es eine ganze Stange von Kontroversen um den Gebrauch des ursprünglich auf das Altnordische zurückgehende Wort "niggardly", das so viel wie "geizig" bedeutet. 

Ein Berater des Bürgermeisters von Washington nutzte das Wort 1999 in einer Rede über ein klammes Budget. Ein schwarzer Kollege witterte fälschlich Rassismus, am Ende folgte ein Rücktritt. Nur Wochen später kam es wegen des Wortes an einer US-Uni zu einem Eklat, weil ein Professor für englische Literatur es benutzte. Hier schließt sich der Kreis: Im Vortrag ging es um Geoffrey Chaucer, dank dem wir wissen, dass wer einen "guten Morgen" wünscht, am Vorabend eher keinen Schwarzen am Baum erhängt hat... 

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