Noch mehr Krieg

WEF: NATO-Chef kündigt schweres Gerät für Ukraine an

Great Reset
Flickr: World Economic Forum (CC BY-NC-SA 2.0)

WEF in Davos - Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO, spricht aus, was lange niemand glauben wollte: Die NATO wird schwere Waffen an die Ukraine liefern. Kurz zuvor sicherte Großbritannien bereits 14 Kampfpanzer des Typs Challenger 2 zu. Lieferungen dieser Waffengattung würden einen neuen, eskalativen Höhepunkt im andauernden Ukraine-Krieg bedeuten - wie Russland reagieren wird, ist unklar.

Ein Schlag ins Gesicht eines jeden Pazifisten

Spott schlägt aus Davos in das Gesicht jedes Pazifisten - oder auch jedes anderen, der die sicherheitspolitische Position Russlands gegenüber der seit Jahren auf Expansion bedachten NATO nachvollziehen kann. „Putinversteher“ werden letztere auch verächtlich genannt. Was aber braucht es, um ein Stoltenberg-Versteher zu werden?

Zumindest darf man die Doktrin, die Stoltenberg in Davos begründete, als nicht ganz befremdlich wahrnehmen: „Wenn wir eine friedlich ausgehandelte Lösung für den Ukraine-Krieg haben wollen, müssen wir der Ukraine militärische Unterstützung bereitstellen. [...] Waffen sind der Weg zum Frieden.“ 

Waffen für den Frieden - grundsätzlich lässt sich diese paradox erscheinende Devise völkerrechtlich konform begründen. So hat jeder souveräne Staat im Falle eines Angriffs das Recht auf Verteidigung durch Waffengewalt. Waffen können also, ungeachtet pazifistischer oder christlich-fundamentalistischer Ansichten, dabei helfen, Frieden herzustellen. Ein allzu blutiger Frieden könnte es allerdings werden, wenn dritte Parteien anbieten, den Frieden noch schneller und mit noch mehr Waffen zu erzwingen.


Der NATO-Chef beim WEF:


Challenger 2: Die Crème de la Crème konventioneller Kriegstechnik

Zu den modernsten Entwicklungen des späten kalten Krieges zählt der schwere Kampfpanzer, den Großbritannien jetzt an die Front liefert. Die 120mm-Kanone des "Challenger 2" hat eine Reichweite von 9.000 Metern. Die schwere Komposit-Panzerung der dritten Generation macht den "Challenger 2" direkt vergleichbar mit anderen modernen Kampfpanzern wie dem amerikanischen Abrams oder dem deutschen Leopard 2.Ein gefährlicher Brandgeruch könnte jetzt durch andere europäische Staaten ziehen und diese zu Lieferungen ähnlicher Größenordnung veranlassen. Dänemark scheint bereits den Anfang zu machen: Das gesamte dänische Langstreckenartillerie-Arsenal bestehend aus 19 Haubitzen vom französischen Typ „Caesar“ soll geschlossen an die Ukraine übergehen, wie Dänemarks Verteidigungsminister Jakob Ellemann-Jensen gestern bekannt gab.

Eine unheimliche Revue aus dem Vorsommer des Ersten Weltkrieges ist dieser Mentalität nicht ganz abzustreiten. Auch damals waren es halbschlafene Kriegsminister, die sich in der Pflicht unausgesprochener Versprechen wähnten; eine Pflicht, die keine ist, solange das Bewusstsein nationaler Souveränität und Sicherheit über der Illusion einer paneuropäische, anti-russischen Waffengemeinschaft steht. Wie schnell und erschreckend war doch damals das Erwachen aus eben dieser Illusion und das Wiederfinden in einem Weltenbrand, den eigentlich niemand wollte.

Der "Challenger 2" während der britischen Irak-Invasion (2003):

Challenger 2 Main Battle Tank patrolling outside Basra, Iraq MOD 45148325.jpg
By Photo: Graeme Main/MOD, OGL v1.0, Link

„Atommächte verlieren keine großen Konflikte.“

Wie viele und vor allem welche Waffen die Ukraine letztlich erhalten soll, wird heute bei einem Treffen auf dem deutschen US-Stützpunkt Ramstein festgelegt. Dass es sich dabei aber vielmehr um eine formale Abhandlung der offenkundigen NATO-Interessen in der Ukraine, als um eine deeskalative Abwägung längst überfälliger Sicherheitspolitik mit Russland handelt, kommentiert die russische Botschaft in London sehr nüchtern: „Bezüglich der Challenger 2 Kampfpanzer werden diese wohl kaum dem ukrainischen Militär behilflich sein, das Blatt zu wenden. Sie werden überdies von den russischen Streitkräften als legitime Großziele betrachtet.“

Ganz andere Worte fand Dmitri Medwedew, ehemaliger russischer Präsident:

„Atommächte verlieren keine großen Konflikte. [...] Die Niederlage einer Atommacht in einem konventionellen Krieg kann den Beginn eines Atomkrieges nach sich ziehen.“

Spätestens diese ebenso direkte wie besorgniserregende Andeutung lässt die weitgehende Unbefangenheit Stoltenbergs vor russischen Nuklearwaffen in ein zweifelhaftes Licht rücken. Ob und inwiefern Russland nun angesichts der bedeutenden Waffenlieferungen NATO-Mitglieder als Parteien oder sogar als Teilnehmer am Ukraine-Krieg betrachten könnte, bleibt abzuwarten.


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